IM KELLER : Next Top-Schimmel
Auf schriftliches Geheiß der Hausverwaltung gehe ich in den Keller, um für den Klempner und seine routinemäßige Überprüfung der Rohre auf Rost und Rattenbisse die Holztür meines Kellerverschlags zu öffnen. Da sehe ich im muffigen, verdreckten Gang drei Verschläge weiter eine eigenartige weiße Substanz auf dem Boden. Sieht aus, als wäre der Schaum einer Waschmaschine ausgelaufen und halbkreisförmig aus dem benachbarten Keller herausgequollen. Ich trete näher, um mir dieses eigenartige Phänomen genauer anzusehen. Da merke ich, das ist ein riesiger Schimmelbatzen, der sich aus dem Verschlag zwei Quadratmeter weit auf den Flur herausgearbeitet hat. Das Ding stinkt so, wie ich mir den Furz aus den Eingeweiden eines Aliens vorstelle. Entsetzt weiche ich zurück. Spontan fällt mir eine Folge der Serie „Akte X“ ein. Dana Scully und Fox Mulder geraten in einem Berg in die Fänge eines gigantischen Halluzinationen auslösenden Schimmelpilzes, der sie in eine Parallelwelt entführt. Nichts wie raus aus dem Keller!
Ich erzähle abends beim Bier einem Freund davon, seines Zeichens Bausachverständiger. „Oh toll, darf ich das fotografieren für meine Bauschadensammlung?“, fragt er begeistert. In dieses Album schaffen es nur architektonische und bauliche Vollkatastrophen. Als er am nächsten Morgen zum Fototermin vorbeikommt und mit der Kamera das pelzige Schimmelmonster anvisiert, materialisiert sich neben uns plötzlich der Vermieter, wie immer leicht miesepetrig mit seinem Che-Guevara-Stecker an der Military-Schirmmütze. „Was tun Sie hier?“, fragt er. Ist er wirklich da, oder ist das jetzt schon die halluzinogene Wirkung des Schimmels, der plötzlich rötlich zu leuchten beginnt? Während wir da verdutzt stehen und sich Neuköllns Next Top-Schimmel am feuchten Kellerboden rekelt, wird uns allen klar: Das Ding vor uns, es lebt.
FLORIAN SCHMID