Grünes Fliegen bleibt vorerst nur ein Traum

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ist Klima ein Thema – zumindest ein bisschen

Aus Schönefeld Nanja Boenisch

Die wohl größte Herausforderung der Luftfahrtbranche, vor allem des zivilen Fliegens, sei die Klimaneutralität. Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als er die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) im brandenburgischen Schönefeld eröffnete. Die ILA erstreckte sich über fünf Tage, von Mittwoch bis Sonntag stellten rund 600 Bran­chen­ver­tre­te­r:in­nen aus 30 Ländern ihre Arbeit auf dem Messegelände am Rande des Flughafens BER aus.

Tatsächlich waren unter den Ausstellern einige, die mit ihren Projekten einen maßgeblichen Beitrag zu klimafreundlicheren Flügen leisten wollen, wie sie sagen: Triebwerkhersteller wie Rolls-Royce, die an Elektromotoren für Kurzstreckenflüge tüfteln. Branchengiganten wie Airbus, Europas größter Luftfahrtkonzern, der seit Jahren ein emissionsfreies, kommerzielles Wasserstoffflugzeug verspricht. Lobbyinitiativen wie Aireg, kurz für: Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany, die sich für alternative Kraftstoffe im Luftverkehr einsetzen.

Im Moment sei die Branche allerdings noch weit von der Klimaneutralität entfernt, sagte Marte van der Graaf, Referentin für Luftfahrt beim Umweltverband Transport & Environment (T & E) in Deutschland. Der Weltverband der Fluggesellschaften (IATA) hat sich zwar zu dem Ziel bekannt, dass alle Flüge bis 2050 CO2-neutral werden. Erst vor wenigen Wochen habe der IATA aber massiv gegen neue europäische Vorgaben lobbyiert, mit denen die Klimawirkung des Luftverkehrs überwacht werden sollte.

Wird fossiles Kerosin verbrannt, entsteht Kohlenstoffdioxid: Fliegen verursacht gut drei Prozent aller CO2-Emissionen weltweit – mehr als der ganze Staat Japan im Jahr 2022, der auf Platz fünf der Länder mit dem größten Kohlendioxidausstoß rangiert. Eine noch stärkere Klimawirkung als das CO2 haben die sogenannten Nicht-CO2-Effekte: Stickoxide, Wasserdampf und Rußpartikel in den Flugzeugabgasen, aus denen sich wärmende Kondensstreifen bilden können, heizen die Erde bis zu zweimal stärker auf, schreibt das Umweltbundesamt.

Die EU wollte Fluggesellschaften ab Januar 2025 dazu verpflichten, die Nicht-CO2-Effekte der Flüge zu messen und offenzulegen, die innerhalb ihrer Grenzen starten. „Nach ein paar Jahren könnten dann politische Maßnahmen folgen, um die Effekte zu verringern“, erklärte van der Graaf von T & E – zum Beispiel könnten die Airlines für eine zu große Klimawirkung ihrer Flüge bezahlen müssen. In einem Brief an EU-Politiker:innen warb der IATA unter anderem dafür, dass sich Fluggesellschaften freiwillig an der Messung beteiligen können. Seitdem liege die Einführung der neuen Regelung auf Eis, sagte van der Graaf.

Fluggesellschaften lobbyieren gegen neue europäische Klimavorgaben

Auch am zweiten Tag der ILA, auf einer Bühne in einer der Messehallen, diskutierten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) über Nicht-CO2-Effekte. Wenn ein Flugzeug mit 100 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff (kurz: SAF für Sustainable Aviation Fuels) in beiden Triebwerken fliegt, würden deutlich weniger Rußpartikel ausgestoßen und die wärmende Klimawirkung der Kondensstreifen ließe sich um etwa 26 Prozent reduzieren. Das hatte eine neue Studie des DLR in Zusammenarbeit mit Airbus, Rolls Royce und dem SAF-Hersteller Neste ergeben.

Weltweit sind jedoch nicht genug alternative Flugkraftstoffe verfügbar. Deutsche Hersteller liegen weit hinter ihren Zeitplänen, zu Beginn des Jahres fielen Millionen Fördergelder weg, die der Bund angekündigt hatte. Auf Anfrage der taz teilte das Bundesverkehrsministerium mit, es unterstütze weiterhin Projekte für nachhaltige Kraftstoffe und wolle dafür noch mehr private In­ves­to­r:in­nen gewinnen.

Fürs Klima sei so oder so am besten, weniger zu fliegen, sagte Marte van der Graaf. Das wiederum war bei der ILA, wo sich Kanzler Scholz ebenso wie Bran­chen­ver­tre­te­r:in­nen über steigende Fluggastzahlen und profitable Airlines freuten, kaum Thema.