ICE-Ausfälle dank Achsenschäden: "Die Information ist dürftig"
Karl-Peter Naumann von Pro Bahn warnt vor einem mehrwöchigen Ausfall von Zügen und kritisiert die Auskunftspolitik der Bahn.
taz: Herr Naumann, die Bahn nimmt ihre ICEs mit Neigetechnik von den Schienen. Was sind die Ursachen für die technischen Probleme?
Naumann: Dass es die Probleme überhaupt gibt, ist schon sehr erstaunlich. Schließlich gibt es in anderen Ländern, etwa in Frankreich oder Japan, auch Hochgeschwindigkeitsverkehre - aber nicht solche Probleme. Über die Ursachen kann man nur spekulieren: Möglicherweise hat die Industrie bei der Herstellung zu knapp kalkuliert, oder es liegt am Unterbau der Schienen.
taz: Das müssen Sie erklären.
Wir haben in Deutschland relativ viele Schienen, die nicht wie üblich auf leicht federndem Schotter, sondern auf festem Beton liegen. Daraus ergibt sich ein unterschiedliches Schwingungsverhalten - und entsprechend werden auch die Achsen unterschiedlich belastet. Aber wie gesagt: Was letztlich falsch gelaufen ist in Deutschland, kann keiner sagen. Deshalb gibt es ja auch den Streit zwischen Bahn und Industrie.
taz: Die Industrie sagt, dass sie die Achsen nach den geltenden Vorschriften gebaut hat. Stimmt das?
Das wird schon richtig sein - andernfalls hätte sie ja die Zulassung nicht bekommen. Fraglich ist aber, ob die Vorschriften ausreichend waren.
taz: Wer hat also versagt?
Das kann man so genau nicht sagen. Das gesamte Zulassungs- und Prüfverfahren wurde abgewickelt. Bevor ein Zug auf die Schiene kommt überprüfen die Hersteller ihre Produkte, dann erfolgt die Baureihenzulassung durch das Eisenbahnbundesamt. Diese Behörde kann allerdings nicht mehr jede einzelne Achse überprüfen. Das ist wie bei einem Auto: Wenn ich mir einen Neuwagen kaufe, muss ich auch davon ausgehen, dass das Fahrzeug funktioniert. Die vom Hersteller empfohlenen Überrpüfungen zur Wahrung von Garantieansprüchen und die gesetzlich vorgeschriebenen TÜV-Kontrollen kommen dann später. So ist es auch bei den ICE: die Achsen werden in einem bestimmten Turnus überprüft, andere Bauteile sind häufiger dran.
taz: War es richtig, dass die Bahn ihre ICE mit Neigetechnik jetzt aus dem Verkehr gezogen hat?
Ja, absolut. Sobald eine Unsicherheit auftritt, muss man handeln. Das hat die Bahn getan. Allerdings hätte sie die Kunden besser informieren können. Die Warnung vor Fahrplanproblemen am Wochenende ist zwar gut durch die Medien gegangen, auf den Bahnhöfen ist die Information der Kunden aber dürftig. Es würde doch kaum Mehrkosten verursachen, die auf der Internetseite der Bahn vorhandenen Informationen auszudrucken und auf den Bahnsteigen auszuhängen. Dann wüsste jeder, woran er ist. Die Informationen der Bahn selbst waren also nicht ausreichend. So konnte man im Internet zwar sehen, wann ein Zug wohin fährt. Aber Ersatzzüge sind beispielweise nicht als solche gekennzeichnet.
taz: Wie lange dauern die Probleme noch an?
Wenn nichts Aufregendes gefunden wird, rechne ich mit zwei Wochen. Wenn sich bei den Überprüfungen allerdings herausstellt, dass fünf oder sechs Achsen schadhaft sind, kann das noch deutlich länger dauern.
taz: Was empfehlen Sie den Kunden?
Sie sollten sich auf jeden Fall vor Antritt einer Reise gründlich informieren, etwa auf der Internetseite der Bahn oder auch telefonisch - beides scheint diesmal ganz gut zu funktionieren. Die Stoßzeiten sollte man aber meiden, wenn man nicht unbedingt dann fahren muss.
INTERVIEW: RICHARD ROTHER
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