piwik no script img

I put a spell on you

■ Jay Hawkins

I Put a Spell on You war ein Skandal, davon zehrt Screamin' Jay Hawkins noch heute. Nicht nur die Voodoo-Anspielung, sondern vor allem das Gekreische und Gestöhne, die offensichtliche sexuelle Aufladung des Songs sicherten ihm Jahrzehnte vor Madonna, Ice-T oder Tone Loc ewigen Ruhm. Im Gegensatz zu den metaphorischen Verklausulierungen des Blues seufzte er die Dinge beim Namen, und das war so unerhört, daß I Put a Spell on You selbst von schwarzen Radiostationen jahrelang zensiert wurde. Daß danach nicht mehr viel Neues kam, war Herrn Hawkins einfach egal, statt dessen inszenierte er die folgenden Jahre vornehmlich sich selbst. Durch die Verwendung von I Put a Spell on You in Jim Jarmusch' Down By Law kam er zu einem Comeback und füllte kurz darauf das damals noch intakte Metropol bis auf den letzten Emporenplatz. Im schwülstigen roten Anzug und dem berühmten Spazierstock, behängt mit Totenkopf und anderem Voodookram, zelebrierte er seine eigene Legende und vermied durch ausgiebiges Augenzwinkern ein Abschmieren in die Peinlichkeit. Seine Augäpfel drohten vor lauter Verdrehen auf die Bühne zu kullern, sein Kehlkopf blähte sich, und man merkte sehr genau, daß dieser Mann schon länger aufgegeben hatte, sich zu ernst zu nehmen. Daß er und die Versionen seiner Songs inzwischen ziemlich zahnlos geworden waren, daß die Zeit allzu spurlos vorbeigegangen war, das nahm er lachend hin und das Publikum dankte es mit uneingeschränkter Begeisterung. Auch heute abend um 21 Uhr im Quartier, Potsdamer Straße, ist nicht zu erwarten, daß sein Rhythm & Blues wesentlich härter und bestimmter wird, denn schließlich ist er ja nicht mehr der Jüngste, und was sollte das auch? Screamin' Jay Hawkins ist in allererster Linie nur Screamin' Jay Hawkins, und sonst mit nichts vergleichbar. to/Voto: Owsnitzki

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen