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I N T E R V I E W „Ich lasse mir das nicht mehr bieten“

■ ÖVP–Politiker Franz Wegart will auf die US–“watch list“ Franz Wegart, 69, ÖVP–Mitglied, ist Präsident des Steiermärkischen Landtages. Der Konservative hat eine Unterschriftenliste des österreichischen Kameradschaftsbundes unterschrieben, auf der sich ehemalige Wehrmachtsoldaten freiwillig auf die US–“watch list“ setzen lassen wollen.

taz: Herr Landtagspräsident, was war der Grund für Ihre Entscheidung? Wegart: Das ist eine Solidarisierungsaktion mit dem Bundespräsidenten. Ich bin ebenso wie er Soldat gewesen, auch kein Nazi, und gegen meinen Willen eingezogen worden. Ich lasse mir nicht jetzt, 42 Jahre später, das Taferl „Kriegsverbrecher“ umhängen. Sie sagen, Sie seien gegen Ihren Willen eingezogen worden. Waldheim sprach am Anfang nur von Pflichterfüllung. Wie alt sind Sie? Sie haben doch keine Ahnung, wie das war. Ich bin ein Zeitzeuge. Glauben Sie, ein Ami, ein Russe oder ein Engländer hätten sagen können, er geht nicht in den Krieg. Was haben wir denn gemacht, wir haben unseren Schädel hingehalten. Da urteilen Leute, die keine Ahnung haben. Warum sind Sie gerade jetzt aktiv geworden? Das müßten Sie als Journalist besser wissen. Täglich liest man, was für eine Bagage wir gewesen sind. Ich lasse mir das nicht mehr bieten. Ich habe mich engagiert, weil ich zutiefst verletzt bin. Und die Vorwürfe gegen Kurt Waldheim? Er war zehn Jahre UN–Generalsekretär. Glauben Sie nicht, die Geheimdienste haben über ihn genau Bescheid gewußt? Weil er Bundespräsident werden wollte, hat man versucht, ihn madig zu machen. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich glaube, das kommt aus der Umgebung von Ex–Bundeskanzler Fred Sinowatz. Ich war sechs Jahre im Krieg, ich war bloß ein Frontschwein. Ich war ein anständiger Soldat, aber ich weiß auch nicht mehr, was ich an diesem oder jenem Tag getan habe. Sie haben gemeint, die Angriffe gegen Waldheim seien ursprünglich aus Wien gekommen. Welche Rolle spielte der Jüdische Weltkongreß dabei? Ich rede nicht über die Juden. Ich war kein Antisemit, als es populär war. Ich bin auch heute keiner. Die Juden lassen wir aus dem Spiel. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Entscheidung bekommen.? Ich habe seit Jahren nicht so viel Zustimmung bekommen zu einer politischen Entscheidung. Es kamen unzählige Leute und Anrufe und haben mir zu meinem Mut gratuliert. Das Gespräch führte Reinhard Engel.

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