Hype um Shoperöffnung in Berlin: Ich will ein Kleid von dir
1.000 meist junge Frauen drängen sich zur Eröffnung in einem Billig-Kleidungs-Geschäft in Steglitz. Warum nur?
Irgendein Teenieschwarm muss gerade Autogramme verteilen, anders ist der Ansturm pubertierender Mädchen vor dem Steglitzer Schloss-Straßen-Center nicht zu erklären. An die tausend drängeln sich vor dem Einkaufszentrum. Doch kein Justin Bieber und kein Robert Pattinson lockt die Mädels an, es ist ein irischer Modegigant: Die Primark-Kette eröffnet auf 5.400 Quadratmetern ihre erste Berliner Filiale.
Das Unternehmen gehört in Großbritannien zu jeder Shoppingmeile wie bei uns H&M oder Orsay. In Deutschland ist es erst seit 2009 vertreten, aber auch hier besetzt es stets riesige Verkaufsflächen: Unter 3.000 Quadratmetern macht’s Primark nicht.
Die Faszination, die das Label auf Mädchen und Frauen zwischen 13 und 30 ausübt, ist auf den ersten Blick nicht ganz leicht zu verstehen. Sicher, es besticht durch große Auswahl, extrem modische Designs und unverschämt niedrige Preise – T-Shirts ab 3 Euro, Jeans ab 7,90. Echte Alleinstellungsmerkmale sind das aber nicht. Das eigentliche Argument für die modebewusste Kundschaft dürfte die Knappheit der Produkte sein: Bisher gibt es erst sieben andere deutsche Filialen, alle tief im Westen.
Erst um 11 Uhr sollen sich die Türen in Steglitz öffnen, aber die Kundschaft wartet schon seit Stunden. Yagmur (15) und Tara (16) aus Charlottenburg sind die Ersten in der Schlange. Um halb acht waren sie da. „Eine Freundin hat Primark-Klamotten, und wir finden die so toll, darum wollen wir die auch“, erklären sie. Jenny und Flora, beide 14, sind aus einem ähnlichem Motiv aus Pankow angereist: „Eine Freundin hat gesagt, der Laden ist berühmt, darum wollten wir mal gucken.“ Die 15-jährigen Fabia und Ceyneb wiederum berichten, nicht jeder könne ihre Euphorie nachvollziehen: „Unsere Eltern haben uns ausgelacht.“
Der Kult um die Klamotten ist von Primark durchaus gewollt. Das Unternehmen verzichtet auf Werbung, es setzt auf Mundpropaganda und medienwirksame Filialeröffnungen. Das wahrt das Image als Geheimtipp und spart Kosten. Auch in Berlin funktioniert die Strategie: Rund 100 Journalisten dürfen schon anderthalb Stunden vor der Eröffnung in den Laden, sie sollen den Ansturm der Massen dokumentieren. Unter ihnen sind auffallend viele ModebloggerInnen, die extra eingeladen wurden. Nach einem PR-Filmchen werden ein paar Reden gehalten, sogar der irische Botschafter ist gekommen. Fragen über die Eröffnung hinaus sind nicht vorgesehen: Primark gibt auch gegenüber der Presse keinerlei Kontaktdaten an. Um den spärlichen Außenauftritt kümmert sich eine externe PR-Agentur.
11 Uhr, die Türen gehen auf, der Laden wird gestürmt. Es geht halbwegs gesittet zu, anders als bei Saturn oder Media Markt ist von Eröffnungsschnäppchen keine Rede. Weil: Die Preise sind einfach immer niedrig. Zudem war Primark gut auf den Ansturm vorbereitet, Absperrgitter und Securitys bremsen die Kaufwütigen aus.
Teuerstes Teil: 35 Euro
Am Eingang erhalten die Kunden Körbe, die rund 20 Liter fassen, nach fünf Minuten sind die ersten voll. „Krass, wie billig!“, kreischt ein begeistertes Mädchen. Auch Branchenkenner staunen über die unschlagbaren Primark-Preise. „Wir wundern uns, wie die das schaffen“, sagt Martin Ott, Geschäftsführender Redakteur des Branchenmagazins Textilwirtschaft. Genau wie seine Mitbewerber lässt Primark in Bangladesch, Indien und Pakistan produzieren. Auch wenn die irische Kette versichert, ihr seien ethische Grundsätze und gute Arbeitsbedingungen ein Herzensanliegen – man fragt sich, auf wessen Kosten eine Handtasche für 5 Euro hergestellt wird. Das teuerste Teil, das auf den ersten Blick zu finden ist, ist ein Mantel für 35 Euro.
Nach einer guten halben Stunde stehen die ersten Gruppen zufriedener Shopperinnen wieder draußen, volle braune Primark-Tüten baumeln an jedem Handgelenk. „Und, wie war’s?“, fragen neugierige Passanten. „Hammergeil!“, so die einhellige Antwort. „Unglaublich billig, und so coole Sachen.“ Für drei Mädels, die gerade bepackt im U-Bahnhof verschwinden, steht fest: „Wir kommen morgen wieder!“
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