: Husten oder nicht
BRECHMITTELPROZESS Kurz vor Schluss soll neuer Gutachter gehört werden. Er soll Auskunft geben, ob Laya Condé Wasser schlucken konnte, ohne zu husten
Helmut Kellermann, Vorsitzender Richter
Kann man Wasser einatmen, ohne zu husten? Diese Frage soll ein auf Schluckbeschwerden spezialisierter Neurologe kurz vor Ende des zweiten Verfahrens gegen den Polizeiarzt Igor V. dem Landgericht beantworten.
Um seine Aussage abzuwarten, verschob das Gericht die für Dienstag vorgesehenen Plädoyers von Nebenklage und Verteidigung. Die hätten gestern darlegen sollen, welches Strafmaß sie für V. wegen des Brechmitteltods von Laya Condé im Polizeigewahrsam für angemessen halten.
Doch in letzter Minute gab V.s Verteidiger Erich Joester der Kammer eine „Beweisanregung“, sagte der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann – und folgte der Anregung.
Der Polizeiarzt hatte Laya Condé im Dezember 2004 Brechmittel und einige Liter Wasser eingeflößt, um an verschluckte Kokainkugeln zu gelangen. Condé hatte sich heftig gegen den Würgereiz gewehrt, war ins Koma gefallen und einige Tage später gestorben.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft fußt auf der These, dass Condé Wasser eingeatmet habe, dass V. ihm per Nasensonde eingeflößt hatte. „Im Prozess haben Zeugen aber nicht bekundet, dass er gehustet hat“, sagt Kellermann.
Für den Anwalt Joester kann dies ein entlastendes Indiz sein: „Wenn die kein Husten gehört haben, ist kein Wasser in die Lunge eingedrungen.“ Dann sei der Kreislaufzusammenbruch und Tod des Sierra Leoners auf die diagnostizierte Vorschädigung seines Herzens zurückzuführen und nicht auf das Handeln von V. Eine ähnliche Taktik verfolgte Joester schon 2008 im ersten Prozess: Da ließ er unmittelbar vor Schluss einen Hamburger Pathologen aussagen. Der bestätigte die Auffassung früherer Gutachter, dass Condé wegen einer Herzkrankheit starb, die V. nicht habe erkennen können. Das Gericht folgte diesem Argument allerdings nicht. Es sprach V. dennoch frei – weil der wegen unzureichender Ausbildung seine „objektiven fachlichen Fehler“ „subjektiv“ nicht habe erkennen können.
Die Aussage des neuen Sachverständigen werde auch diesmal „nicht das Zünglein an der Waage“ sein, sagte Kellermann am Dienstag. Dennoch sei es für das Gericht „interessant“ zu wissen, ob die Aspiration von Wasser ohne Husten möglich sei.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der letzten Woche für den Polizeiarzt eine Strafe von neun Monaten Haft auf Bewährung gefordert, weil er sich der fahrlässigen Tötung und der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe.
Der Bundesgerichtshof hatte den Freispruch von V. 2010 aufgehoben und dabei die Beweiswürdigung des Bremer Landgerichts heftig kritisiert. Das neue Verfahren begann im März.
Das Urteil werde „auf jeden Fall im Juni“ verkündet, sagte Kellermann gestern. CJA