■ Husseins fernseh-öffentliche Distanzierung von Saddam: Ertragreiche Wende
Seine Majestät wendet sich. Wenn es dann noch der jordanische König Hussein ist, der diese bedeutungsvolle Bewegung vollführt, dann ist es nicht nur das königliche Haupt, sondern das Blatt in der ganzen Region Nahost, das sich wendet.
Daß der jordanische König schon seit geraumer Zeit des strategischen Bündnisses mit seinem irakischen Nachbarn überdrüssig ist, ist kein Geheimnis. Schon zu Zeiten des Golfkriegs war es vor allem der Druck von der Straße, der den König zu einer Solidarisierung mit Bagdad veranlaßte. Damals ein schlauer Zug. Der König war unbeliebt. Über Nacht stieg seine Popularitätskurve ins Unermeßliche.
Doch langfristig war der Preis zu hoch. Jordanien wurde international geschnitten. Die Entwicklungsgelder blieben aus. Selbst der vor kurzem mit Israel geschlossene Friedensvertrag brachte kurzfristig nicht den erwarteten Erfolg. Da war es Zeit, daß der Überlebensspezialist König Hussein (mehr als vierzig Jahre hat er sich unter äußerst widrigen Umständen als Herrscher gehalten) erneut agiert.
Nur eine endgültige Abkehr von Saddam Hussein öffnet seinem Land erneut die westlichen Türen. Da fällt selbst die „Soll-Seite“ der Wende nicht ins Gewicht. Immerhin hatte der Irak aus Dank seinem jordanischen Partner jahrelang Öl zu äußerst günstigen Bedingungen, teilweise sogar kostenlos geliefert.
Noch ist unklar, wie der Dank aussehen wird, den Jordanien nun von der Anti-Irak-Allianz erwarten kann. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß sowohl die herzliche Aufnahme des irakischen Überläufers Hussein Kamel in Amman als auch die jetzige Rede des Königs eine längerfristige und mit den USA koordinierte Aktion war. Auch Saudi-Arabien dürfte sich nun schnell bereit erklären, das billige irakische Öl für Jordanien zu ersetzen.
Aber die wichtigste Botschaft von Husseins Rede ist eine andere: Der Monarch weiß, daß er durch sie das Wohlwollen des starken Nachbarn Saddam Hussein endgültig verloren hat – und er hat diese Folge einkalkuliert. König Hussein, zweifellos einer der bestinformierten Kenner der innerirakischen Verhältnisse, erwartet offensichtlich, daß Saddam Hussein demnächst nicht mehr auf seiner Rechnung auftaucht. Der Abgang von Saddam Husseins letztem Partner in der Region heißt, daß König Husseins Kalkulation nun um so schneller aufgehen könnte. Karim El-Gawhary, Kairo
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