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Hungerstreik seit fünfzehn Tagen

■ Türkische Kommunistenführer seit ihrer Rückkehr aus dem Exil 1987 in Haft / Hungerstreik gegen Strafgesetze

Berlin (taz) - Seit 15 Tagen befinden sich die beiden führenden Politiker der türkischen kommunistischen Partei (TBKP), Nihat Sargin und Haydar Kutlu, in einem unbefristeten Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt Ankara. Beide sind dort seit über zwei Jahren inhaftiert, seit Juni 1988 läuft gegen sie und vierzehn andere Angeklagte ein Mammutprozeß. Anfang April hatte das Staatssicherheitsgericht in Ankara zum wiederholten Mal einen Antrag auf Freilassung abgelehnt.

Sargin und Kutlu waren am 16. November 1987 aus dem Exil in die Türkei zurückgekehrt und wurden noch auf dem Flughafen verhaftet. Am 8. Juni 1988 wurde der Prozeß eröffnet. Ihnen wird hauptsächlich zur Last gelegt, eine Vereinigung zu führen, deren Ziel „die Herrschaft einer sozialen Klasse“ sowie die Zerstörung der bestehenden Wirtschaftsordnung ist. Laut Paragraph 141 des Strafgesetzbuches kann dies mit einer Gefängnisstrafe zwischen acht und fünfzehn Jahren bestraft werden. Für die Förderung oder Leitung mehrerer solcher Vereinigungen droht die Todesstrafe.

Ihren Hungerstreik wollen die beiden erst abbrechen, wenn sie freigelassen und die Paragraphen 141, 142 und 163 des türkischen Strafgesetzbuches gestrichen werden, auf denen unter anderem das Verbot der kommunistischen Partei basiert. Eine Vorlage zur Reform dieser Gesetze ist von der Regierung Özal immer wieder verschoben worden. Die türkischen Sozialdemokraten fordern die komplette Streichung. Propaganda „in welcher Form auch immer“ wird nach Paragraph 142 mit Gefängnis zwischen fünf und zehn Jahren geahndet. Paragraph 163 stellt „antisäkulare Propaganda“ unter Strafe und richtet sich vor allem gegen islamisch orientierte Gruppen. Mit dieser Allzweckwaffe wurden in den letzten Jahren Parteien und Organisationen verboten, zahlreiche Gewerkschafter, Politiker und Intellektuelle mit Strafverfahren überzogen.

Amnesty international hat inzwischen eine Eilaktion gestartet. In Briefen an die türkische Regierung haben sich Berlins stellvertretende Bürgermeisterin Stahmer (SPD), die Alternative Liste und die Liga für Menschenrechte für die Freilassung von Sargin, Kutlu und anderer politischer Gefangener in der Türkei eingesetzt.

anb

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