Hungerkrise in Simbabwe: Unreifes Obst und giftige Wurzeln
Um die Opposition zu schwächen, unterband Mugabe die Arbeit der Hilfswerke. Bis Januar könnte die Hälfte der Bevölkerung Simbabwes auf Nahrungshilfe angewiesen sein.
RUSAPE taz Um vier Uhr früh geht die Arbeit los. Die Dorfbewohner machen sich auf den Weg über schmale Pfade in den Busch. Hinter den Frauen trotten die Kinder, manche keine sechs Jahre alt, manche mit Babys auf dem Rücken.
Die Arbeit besteht darin, etwas Essbares zu finden. Frauen und Kinder gehen in die Wälder, wo schon viele Bäume für Feuerholz oder Hüttenbau gefällt worden sind, und pflücken Obst. Um diese Jahreszeit ist der einzige Baum mit Früchten der Muchakata, mit saftigen pflaumenähnlichen Früchten von der Größe eines Golfballs.
Aber niemand wartet hier im Osten Simbabwes heutzutage darauf, bis die Früchte reif sind. Sobald sich die Farbe von Grün ein wenig ins Bräunliche verändert, wird das Obst geerntet. Die Früchte werden dann mit einem Mörser zu Brei zerstampft.
Der Muchakata-Baum ist in vielen Regionen Afrikas heilig, und jüngst gab es hier einen Streit mit tödlichem Ausgang, als ein Mann sich empörte, dass die Leute aus dem Nachbardorf den Baum seiner Ahnen abernteten. Die Nachbarn sagten, der Baum sei ganz alleine beziehungsweise mit Gottes Hilfe gewachsen, nicht von Menschenhand gemacht, und daher dürfe jeder sich an ihm laben. Das Ergebnis war eine Prügelei, bei der der Baumbesitzer getötet wurde.
Andere Menschen aus den Dörfern laufen 20 Kilometer weit auf den Gipfel des Dewedzo-Berges. Hier sammeln sie rettichartige Wurzeln. Die hat man früher hier nie gegessen, und man muss sie mindestens dreimal kochen, damit sie nicht mehr giftig sind. Sogar dann schmecken sie sauer und verursachen einen Hustenreiz. Wieder andere reißen Bananenbäume aus dem Boden und ernten die Wurzeln, die sie trocknen und zu Mehl verarbeiten.
Die Regenfälle in diesem Teil von Simbabwe hörten Mitte Januar abrupt auf, lange bevor das Grundnahrungsmittel Mais geerntet werden konnte. "Wir leben wie die Tiere", sagt ein Bewohner des Dorfes Matanha. "Wir essen alles, was eventuell nicht giftig ist. Unsere Ernte ist komplett abgeschrieben."
Er sagt, dass Mais in der Region nur gegen südafrikanische Rand verkauft wird - umgerechnet 10 Euro für 20 Kilogramm. "Sogar wenn wir simbabwische Währung hätten, und wir haben ja gar kein Geld, könnten wir damit nichts kaufen", fährt der 35-jährige Elphas Matsa fort, der zwei Frauen und sieben Kinder zu ernähren hat.
Um mit Devisen Mais zu kaufen, müsste man 40 Kilometer weit zu Fuß zur nächste Großfarm laufen. Dort, in Headlands, gibt es angeblich Überschüsse. Mit 20 Kilo Mais kann man sich dann wieder auf den Heimweg machen. Das reicht eine Woche lang für eine sechsköpfige Familie.
Nahrungsmittelhilfe gibt es nicht. Die Regierung hat ausländischen Hilfswerken die Verteilung von Hilfsgütern verboten, mit dem Argument, dies fördere die Opposition. Fünf Jahre lang verteilte das Hilfswerk "Goal" im Auftrag der UN-Agrarorganisation FAO in dieser Region der Provinz Manicaland Mais, Speiseöl, Bohnen und Hochproteinkekse für Kinder.
Jetzt gibt es das nicht mehr. In Simbabwe erhalten nur noch 300.000 Menschen, zumeist Aidspatienten, Lebensmittelunterstützung - zwei Millionen bräuchten welche.
Kurz vor der Stichwahl um die Präsidentschaft Ende Juni, die Robert Mugabe ohne Gegenkandidat gewann, führte die Regierung ein neues Hilfsprogramm mit dem unpassenden Namen "Basic Commodities Supply Side Intervention Programme" (Bacossi) ein - Interventionsprogramm zur Angebotsunterstützung von Waren des Grundbedarfs.
Die Familien im Dorf Masvosva jubelten Mugabe zu, als er im Wahlkampf kam und versprach, dank Bacossi könne man jetzt jeden Monat stark subventionierte Lebensmittelpakete mit Reis, Zucker, Mehl sowie Seife und Zahnpasta kaufen. Einmal gab es das dann auch. Seit den Wahlen nicht mehr.
Inzwischen hat die Regierung die Hilfswerke gebeten, neue Anträge zu stellen, wenn sie wieder in Simbabwe arbeiten wollen. Bis Januar, so schätzen Hilfsorganisation, wird die Zahl der Bedürftigen auf 5 Millionen gewachsen sein, fast die Hälfte der Bevölkerung. "Wir wissen, dass die humanitäre Krise sich verschärft, und wir sind dazu bereit, etwas dagegen zu tun", sagt Charles Albani, Regionaldirektor von Oxfam. "Im Moment haben wir alle Aktivitäten einstellen müssen."
Am 2. September begann das neue Schuljahr, und das Hilfswerk "Goal" will jetzt wieder Kekse an Grundschüler im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren verteilen, die sonst nichts zu essen hätten. Allerdings ist der Unterricht in vielen Gegenden ausgefallen, weil die Lehrer nicht aus den Ferien zurückgekommen sind. "Sie haben kein Fahrgeld", sagt einer, der die Ferien in seiner Schule verbrachte, weil er sich die Fahrt nach Hause nicht leisten konnte. "Ich glaube nicht, dass sie kommen. Das letzte Gehalt gab es Mitte August. Es reicht nicht einmal für die Busfahrt von Harare nach Rusape."
Die wenigen Gelegenheiten, zu denen die Dörfler noch zusammenkommen, sind Beerdigungen - und die gibt es immer öfter. Früher kam man, um gemeinsam zu trauern. Jetzt kommt man in der Hoffnung, dass es etwas zu essen gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!