Hunderttausende Euro verschwunden: Haftbefehl gegen NPD-Schatzmeister
Der Rechtsextremist soll Parteivermögen veruntreut haben - insgesamt mindestens 627.000 Euro. Seine Privaträume, die NPD-Zentrale und der Parteiverlag wurden durchsucht.
Über ihren Bundesschatzmeister Erwin Kemna wusste die NPD stets nur Positives zu berichten. "Sein Wissen und seine Erfahrung haben die NPD wirtschaftlich auf gesunde Füße gestellt", war bislang auf der Homepage der rechtsextremistischen Partei über ihn zu lesen. Seit Donnerstag könnte das Urteil über den "Mann der Praxis" etwas anders ausfallen: Wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue zum Nachteil der NPD hat das Amtsgericht Münster Haftbefehl gegen Kemna erlassen.
Die Staatsanwaltschaft Münster wirft dem 57-Jährigen vor, sich persönlich am Vermögen der NPD bereichert zu haben. Seit Anfang 2004 soll Kemna in mindestens 65 Fällen Geld von Konten der NPD über Umwege in ein von ihm als Geschäftsführer betriebenes Küchenunternehmen im münsterländischen Lengerich umgeleitet haben. Insgesamt rund 627.000 Euro sollen so aus der Parteikasse "verschwunden" sein. Auf die Spur Kemnas, der auch Geschäftsführer der NPD-Zeitung Deutsche Stimme ist, waren die Ermittlungsbehörden durch die Geldwäscheverdachtsanzeige eines Geldinstitutes an das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt gekommen.
Kemna wurde am Donnerstagmorgen in einer von ihm betriebenen Boutique in Ladbergen im Kreis Steinfurt festgenommen. Zur selben Zeit begannen Durchsuchungen an mehreren Orten der Bundesrepublik. So wurden unter Beteiligung von bundesweit acht Staatsanwaltschaften und des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts Geschäftsräume und Privatwohnungen Kemnas sowie seines persönlichen und geschäftlichen Umfelds durchsucht, außerdem die Deutsche-Stimme-Räumlichkeiten im sächsischen Riesa. Auch die NPD-Bundesgeschäftsstelle im Berliner Stadtteil Köpenick bekam unerwarteten Besuch.
Die Verhaftung ihres Schatzmeisters trifft die NPD zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt: Seit Monaten schwelt in der NPD eine Spendenaffäre. Im November vergangenen Jahres forderte die Bundestagsverwaltung Kemna schriftlich auf, rückwirkend bis 1996 die Abrechnung von Spenden anzugeben. Kemna wies die Vorwürfe damals zurück. Wegen falscher Spendenquittungen in Thüringen hatte die Bundestagsverwaltung bereits Ende 2006 die Rückzahlung staatlicher Zuschüsse in Höhe von 870.000 Euro gefordert.
Im vergangenen Jahr bezifferte eine Arbeitsgruppe mehrerer Länder unter Federführung der Berliner Innenverwaltung das Vermögen der NPD auf knapp drei Millionen Euro. Haupteinnahmequelle waren dabei mehr als 1,3 Millionen Euro an staatlichen Mitteln. Die staatliche Parteienfinanzierung richtet sich vor allem nach den Wahlergebnissen. So ist denn auch Sachsen, wo die Partei 2004 mit zwölf Abgeordneten in den Landtag eingezogen war, der einnahmestärkste Landesverband. Spender sollen der NPD 2005 knapp eine Million Euro überwiesen haben. Gut eine halbe Million Euro erhielt die Partei angeblich aus Beiträgen ihrer rund 7.000 Mitglieder.
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