piwik no script img

Hu geht, Hu kommt, Hu ist immer dabei

■ Im Olymp der KPCh wurde die alte Garde durch 60jährige abgelöst / Nicht alle sind Reformer /Peng als Premiernachfolger wahrscheinlichster Mann / Er leitete vor 40 Jahren das Atomprogramm der Volksrepublik und schlug 1987 die Studentenunruhen nieder

Von Jürgen Kremb

Berlin (taz) - Einen Tag nach Abschluß des XIII. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas in der Beijinger Halle des Volkes, fand sich gestern das neugewählte und verjüngte Zentralkomitee (ZK) zusammen. Statutengemäß wurde dabei das neue 17köpfige Politbüro bestimmt. Sein ständiger Ausschuß stellt den Olymp der volkschinesischen Macht dar, die stets in monatelanger Vorarbeit hinter den Kulissen fein zwischen Reformern und Orthodoxen austariert werden muß. Trotz aller Parteitagspropaganda zugunsten der Reformkräfte in der Nachfolge von Deng Xiaoping, gab es im Zhongnanhai, dem Sitz des Politbüros, keine spektakulären Überraschungen. Hongkonger Zeitungen berichteten schon vor drei Wochen, daß Premier Zhao Ziyang (68), seine Stellvertreter Qiao Shi (63), Li Peng (58), Yao Yilin (70) und das Mitglied des Sekretariats der KP Hu Qili (58) dem neuen Machtzentrum angehören. In einem Land, in dem Seniorität gleichgesetzt wird mit Macht, Einfluß und Wissen, ist einzig ihr recht junges Durchschnittsalter ein Beweis für einen Teilsieg von Deng Xiaopings Verjüngungspolitik. Dem ständigen Ausschuß gehörten in der Vergangenheit Chinas starker Mann Deng Xiaoping (83), der verstorbene Marschall Ye Jingying, der gefeuerte Ex– KP–Chef Hu Yaobang (72), der konservative Staatschef Li Xiannian (78), der reformfreudige Premier Zhao Ziyang (68) und der orthodoxe Chen Yun (82) an. Mit Ausnahme von Zhao Ziyang (68), der gestern auch als neuer Parteichef bestätigt wurde - obwohl er das Amt ungern übernimmt - alles alte Marschierer aus den Tagen Mao Zedongs und des langen Marsches. Das gilt beileibe nicht mehr für Hu Qili (58). Als Sohn der Shaanxi–Provinz war er enger Vertrauter von Ex–Generalsekretär Hu Yaobang. Nach dessen Sturz im Januar schien Hu Qilis Niedergang allerdings auch besiegelt. Doch im letzten Moment offenbarte der Reformer sich als politisches Chamäleon, kritisierte den KP–Chef aufs heftigste und war während der konservativen Kampagne gegen „bürgerlichen Liberalismus und Verwestlichung“ in den Medien nur noch im Mao–Anzug zu sehen. Hu Qili gehört dem Sekretariat der KPCh an und fungierte zusammen mit Vize–Premier Li Peng als Ministerpräsident, als der Amtsinhaber Zhao Ziyang im Sommer in Europa weilte. Einen Namen machte er sich als reformfreudiger Bürgermeister von Tianjin (1980–1982), Vizepräsident der Beijinger Quinghua Universität und Sekretär der kommunistischen Jugendliga, einem Sammelbecken von Reformkräften. Trotz allen Reformeifers sehen ihn viele heute in China als Umfaller. Voraussichtlich noch bis zur Sitzung des Volkskongresses im März wird Zhao Ziyang Premier bleiben. Doch als aussichtsreicher Nachfolger darf schon jetzt sein Vize Li Peng (58) angesehen werden. Der Adoptivsohn von Zhou Enlai ist dafür bekannt, daß er eher eine gemäßigte Reform mit einem größeren Anteil Planwirtschaft favorisiert. Li Peng ist als Sohn eines Schriftstellers in der Sichuan– Provinz geboren. Schon in früher Kindheit wurde sein Vater von KMT–Truppen exekutiert. Mit der Adoption durch den späteren Ministerpräsidenten verschaffte er sich das, was in China wichtiger als Fachwissen ist - einen richtigen Familienhintergrund. Doch auch an einer fundierten Ausbildung fehlt es nicht. Der junge Mann studierte bis 1949 Ingenieurwissenschaften in Moskau und leitet heute das chinesische Atomprogramm. Außerdem steht Li Peng der staatlichen Erziehungskommission vor. Dabei erwarb er sich in den Augen der Partei–Konservativen im Frühjahr dieses Jahres großes Ansehen durch die Niederschlagung der Studentendemonstrationen. Denn „rot sein“ ist für die Uni–Zulassung wieder das entscheidende Kriterium. Als klarer Vertreter der konservativen Kräfte im ständigen Ausschuß des Politbüros darf Yao Yilin (70) angesehen werden. Er ist Gefolgsmann von Chen Yun, der als schärfster Deng–Gegner in Sachen Reform jetzt zerbrechlich und lahm aus dem Gremium ausgeschieden ist. Yao war zunächst Lehrer, schloß sich aber schon in den dreißiger Jahren der KP an. In der Kulturrevolution wurde er zunächst als „Anhänger der Peng Zhen–Clique“ (Peng Zhen leitet den Volkskongreß) kritisiert, aber schon 1973 wieder rehabilitiert. Yao wird dem Fortgang der Reform in China manchen Umweg verordnen. Damit macht er sich Qiao Shi zum Gegenspieler. Der Sohn der reichsten Region, der südost–chinesischen Zhejiang–Provinz, wurde nämlich vom Ex–KP–Chef Hu Yaobang schon vor fünf Jahren in das Politbüro gezogen. Doch für ihn gilt das gleiche wie für Hu Qili. Bei der Palastrevolte im Januar entpuppte er sich als Opportunist und kritisierte sich und seinen Mentor heftig. Hongkonger China–Beobachter meinten deshalb schon vor der Wahl des Politbüros: „Die Reformer haben jetzt zweieinhalb Tickets, die Konservativen aber immer noch genausoviel.“ Das gilt aber nicht für die gesamte Besetzung des von 20 auf 17 Plätze reduzierten Politbüros. Dort sind überraschend viele Reformbefürworter zu finden. Der im Januar geschaßte Ex–KP–Generalsekretär Hu Yaobang mußte wider Erwarten nicht seinen Posten räumen. Als neuer Staatspräsident dürfte sicherlich der 80jährige Yang Shangkun angesehen werden, der als enger Vertrauter Deng Xiaopings den früheren Amtsinhaber Li Xiannian in Zukunft ablösen wird. Als Vizepremier bietet sich der Tianjiner Bürgermeister Li Ruihuan an, der mit 53 Jahren als Reformbefürworter erstmals ins Politbüro einzog.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen