Howogate: Sarrazin rettet Junge-Reyer
Im Untersuchungsausschuss zur Howoge-Affäre tut der ehemalige Finanzsenator seiner Parteikollegin einen Gefallen - mit Erinnerungslücken.
Thilo Sarrazin ist zurück im Schoße der Sozialdemokraten. Einen Monat nachdem die Schiedskommission der SPD auf einen Ausschluss des ehemaligen Berliner Finanzsenators aus der Partei verzichtete, revanchierte sich Sarrazin am Freitag beim Untersuchungsausschuss zur Howoge-Affäre. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das Thema der Vergabe von Planungsleistungen beim Senatorengespräch mündlich behandelt wurde." Damit nahm Sarrazin seine ehemalige Senatskollegin Ingeborg Junge-Reyer (ebenfalls SPD) aus der Schusslinie. Sowohl Sarrazin als auch Junge-Reyer waren zu besagtem Senatorengespräch am 9. Juni 2006 mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge zusammengekommen.
Mit der Vernehmung Sarrazins und Junge-Reyers steuerte der Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Vergabepraxis bei der Howoge auf seinen Höhepunkt zu. Im Mittelpunkt stand am Freitag die Frage, ob Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer von der Direktvergabe von Aufträgen der Howoge an den ehemaligen SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg wusste. Junge-Reyer hatte dies stets bestritten. Allerdings hatte Sarrazin in einem Schreiben berichtet, dass der ehemalige Howoge-Geschäftsführer Hans-Jürgen Adam auf dem Senatorengespräch dargelegt habe, "dass diese Form der Direktvergabe ohne förmliche Ausschreibung (…) die wirtschaftlichste Lösung für die Howoge war". Bei seiner Vernehmung bekräftigte Sarrazin diese Auffassung. "Wenn Sie eine Operation haben, machen Sie ja auch keine Ausschreibung."
Während der Sitzung wurde erstmals bekannt, dass auch Hillenberg Einfluss auf das Senatorentreffen nehmen wollte. So habe er in einem Schreiben an Sarrazin versucht, "das Modell Howoge auch zum Vorbild für andere Wohnungsbaugesellschaften zu machen", sagte der grüne Abgeordnete Jochen Esser. Allerdings betonte Sarrazin, dass er sich von Hillenberg nicht "auf diese Schiene setzen ließ".
Verspätet zur Vernehmung
Das Enfant terrible der SPD war mit einer Verspätung von 38 Minuten in den Saal 113 des Abgeordnetenhauses gekommen. Zuvor hatte der Ausschussvorsitzende Nicolas Zimmer gebeten, "den Zeugen Sarrazin in den Sitzungssaal zu führen". In seiner Erklärung betonte Sarrazin, dass den Akten zur Vorbereitung für das Senatorengespräch die Vergabepraxis der Howoge zu entnehmen war. Er selbst habe die Akten auch gelesen, könne aber nicht sagen, ob sich auch Junge-Reyer entsprechend vorbereitet habe.
Junge-Reyer, die nach Sarrazin vernommen wurde, betonte dagegen, dass die Vergabepraxis der Howoge aus den Akten nicht hervorgegangen sei. Zwar sei bei einem Bauvorhaben von Baunebenkosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro die Rede gewesen. "Allerdings hätte eine solche Summe auch bedeuten können, dass der Auftrag ausgeschrieben wurde", gab Junge-Reyer zu bedenken. Nachgefragt habe sie aber nicht. "Von den Vorwürfen gegen die Howoge habe ich erst 2010 erfahren."
Auch dass ihr Parteikollege Hillenberg Auftragnehmer der Wohnungsbaugesellschaft war, will sie nicht gewusst haben. "Ich wusste nur, dass er Bauunternehmer ist." Der CDU-Abgeordnete Florian Graf empörte sich vor allem über die Aussage von Sarrazin. "Herr Sarrazin hat gezeigt, dass er von Anfang an wusste, dass gegen Vergaberecht verstoßen wurde und dies auch gebilligt hat. Das ist skandalös, dass ein Mitglied des Senats so handelt."
Aber auch das Verhalten der Stadtentwicklungssenatorin wurde gerügt. "Wir fühlen uns von Ihrer Verwaltung mit Akten unterversorgt", stichelte der Ausschussvorsitzende Nicolas Zimmer von der CDU in Richtung Junge-Reyer. Im Gegensatz zur Finanzverwaltung mit 30 Ordnern haben die Ausschussmitglieder von der Stadtentwicklungsverwaltung nur sechs Ordner bekommen.
Der im Vorfeld der Sitzung angekündigte Showdown blieb allerdings aus. Zur Not, hatte die CDU gedroht, werde es im Anschluss zu einer gemeinsamen Vernehmung von Sarrazin und Junge-Reyer kommen. Das hielt am Ende aber niemand mehr für nötig. Thilo Sarrazin, sichtlich geschockt von der Aussicht, den Rest des Tages in der Nähe des Abgeordnetenhauses verbringen zu müssen, durfte sich noch vor Junge-Reyers Vernehmung auf den Heimweg machen.
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