: Hopplahopp gegen den „Terrorismus“
■ Grüne wollen Eilverfahren bei Kronzeugenregelung und anderen Sondergesetzen verhindern / Ströbele kritisiert „Lex taz“ / SPD gegen „Schnellschüsse“ / Richterbund gegen Koalitionsentwurf
Aus Bonn Oliver Tolmein
Die Grünen im Bundestag kündigten gestern früh auf einer Pressekonferenz an, daß sie sich gegen das Eilverfahren wenden werden, mit dem das von den Koalitionsfraktionen vorgelegte „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ durchgestimmt werden soll. Der AL–Abgeordnete Christian Ströbele wies auf die zahlreichen ungeklärten Punkte bei der geplanten Kronzeugenregelung hin. Niemand wisse, wie damit umzugehen sei, wenn sich mehrere Täter gegenseitig beschuldigten oder was geschehen solle, wenn ein sogenannter Kronzeuge seine Aussage während des Prozeßes widerrufe. Über der Auseinandersetzung um diese umstrittene Regelung werde außerdem völlig vernachlässigt, daß ja auch eine Ausweitung des § 129a vorgesehen sei, die dazu führen könne, daß demnächst sowohl die Kronzeugenregelung als auch das fatale Kontaktsperregesetz gegen militante AKW–Gegner eingesetzt werde: „Die Sondergesetze werden immer weiter ausgedehnt und es ist anzunehmen, daß sie zwar keine Wirkung bei der Terrorismusbekämpung haben werden, dafür aber verheerende Auswirkungen für Atomkraftgegner und andere große Protestgruppen“. Der § 130a wurde von Ströbele als „Lex taz“ bezeichnet, weil er darauf abzielt, gegen jede Form von politischem kritischemn Journalismus vorzugehen, beispielsweise gegen Berichte über die Motivation von Strommastknackern. Der grüne Vertreter im Rechtsausschuß Norbert Mann wandte sich erneut vehement gegen die Einführung von ZEVIS, dessen datenschutzrechtliche Problematik bei der öffentlichen Anhörung am 29. April 1986 überdeutlich geworden sei. Kritik an den „gesetzgeberischen Schnellschüssen“ kam auch aus der SPD–Fraktion. Deren Obmann im Innenausschuß, Wilhelm Nöbel, lehnte die Erweiterung des § 129a und die Einführung des § 130a „kompromißlos“ ab. Bei der Einführung der Kronzeugenregelung werde seine Fraktion auf einer „ausführlichen und sachgerechten Beratung bestehen“. Das ZEVIS Gesetz und die Erweiterung der Kompetenzen des Generalbundesanwaltes bezeichnete er als Vorschläge „die ernsthaft geprüft werden sollten.“ Auch innerhalb der Koalition gibt es ganz leise Kritik an den geplanten Gesetzen: die FDP–Abgeordneten Baum und Hirsch behalten sich immer noch vor, auch gegen die eingebrachten Entwürfe zu stimmen. Zwei CDU–Abgeordnete enthielten sich bei der Abstimmung nach den Beratungen in ihrer Fraktion. Der Frankfurter Strafrechtsprofessor Hassemer kritisierte in einem Gespräch mit der taz das geplante Gesetz. Zwar ließe sich unter rein formalen Gesichtspunkten das Strafrecht „mit entsprechenden Mehrheiten beliebig variieren. Wieviele von den Grundsätzen man aber aushöhlen kann, ist eine Frage der Rechtskultur“. Und um die stehe es nicht gerade gut, wenn der Effektivitätsgedanke derartig in den Vordergrund rücke, wie das derzeit der Fall sei. Kritik an dem Koalitions–Entwurf äußerte auch der Deutsche Richterbund.
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