Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Ein süßer Sieg für Gentechnik-Gegner
Honig mit Pollen von Gentechpflanzen ohne Lebensmittelzulassung ist laut Urteil illegal. Damit dürfte ein Teil der in der EU verkauften Produkte aus den Regalen verschwinden.
BERLIN taz | Honig mit Pollen von Gentechpflanzen ohne Zulassung als Lebensmittel darf nicht mehr in der EU verkauft werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg urteilte am Dienstag, dass derartiger Pollen eine Gentech-Zutat sei, die aus Sicherheitsgründen eine Zulassung benötigt. Das gelte "unabhängig vom Anteil des genetisch veränderten Materials". Es sei egal, ob der Pollen dem Honig unabsichtlich beigefügt werde.
Das Urteil erschwert auch den Verkauf von Honig aus zugelassenen Genpflanzen. Denn es stellt klar, dass dieser Honig spätestens dann als "gentechnisch verändert" gekennzeichnet werden muss, wenn der Gentech-Anteil mehr als 0,9 Prozent beträgt. Solcher Honig gilt angesichts der Ablehnung der Gentechnik in der Bevölkerung als kaum verkäuflich.
Damit dürfte ein Teil des in der EU verkauften Honigs aus den Regalen verschwinden. Nach einer Schätzung der taz auf Grundlage von Branchenzahlen kommt der meiste Honig für den deutschen Verbrauch aus Nord- und Südamerika. Dort sind Gentechnik-Pflanzen stärker verbreitet als in Europa. Deshalb fand die Zeitschrift Öko-Test 2009 in fast der Hälfte aller getesteten Honige Genpollen.
Der Honig-Verband, der die wichtigsten deutschsprachigen Importeure und Abfüller vertritt, erklärte jedoch, dass "die Produkte unserer Mitglieder weiterhin verkehrsfähig sind“. Die meisten gentechnisch veränderten Pollen im Honig stammten von in Europa als Lebensmittel zugelassenen Pflanzen. Somit sei auch der betroffene Honig automatisch zugelassen. "Eine Kennzeichnungspflicht scheidet für diesen Honig aus, weil der Schwellenwert von 0,9 Prozent Pollen aus genveränderten Pflanzen nicht überschritten wird.“
Die politische Bedeutung des Urteils liegt vor allem darin, dass es die Hürden für den Anbau von Genpflanzen erhöht. Denn bisher war unklar, ob Imker Schadenersatz von Gentechbauern verlangen können, wenn deren Pflanzen Honig kontaminieren. Die Industrie hatte argumentiert, Honig sei ein tierisches Lebensmittel wie etwa Fleisch, das auch dann nicht als gentechnisch verändert gilt, wenn die Tiere mit Genpflanzen gefüttert werden. Demnach hätten die Imker Gentech-Honig nicht kennzeichnen müssen und hätten deshalb auch kein Geld verloren, das sie sich dann per Klage zurückholen könnten.
Das Urteil wird Gentechnik-Gegnern zufolge auch Pläne der EU-Kommission zurückwerfen, die derzeit gültige Regel aufzuweichen, wonach nicht zugelassene Gentech-Zutaten in Lebensmitteln auch in geringsten Konzentrationen verboten sind. Im Juli hatte die EU schon die Nulltoleranz solcher Gentechpflanzen in Futtermitteln gekippt und einen Grenzwert von 0,1 Prozent erlassen. Möglicherweise erleichtert die Entscheidung aus Luxemburg auch Klagen gegen diese neue Regel.
Sieg von David über Goliath
"Das aktuelle Urteil bedeutet einen Sieg von David über Goliath", erklärte der ökologisch orientierte Imkerverband Mellifera, der das Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik initiiert hat. Ihm gehört auch der klagende Imker Karl Heinz Bablok an, dessen Honig von dem nur in bestimmten Lebensmitteln zugelassenen Mais MON810 verschmutzt worden war. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass Imker durch die Vorschriften für den Anbau von Gentechnikpflanzen geschützt werden.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert, dass zwischen Gentechfeldern und Bienenstöcken mindestens fünf Kilometer Abstand vorgeschrieben werden. Denn so weit sei der Flugradius von Bienen auf der Nahrungssuche. Bisher sind nur Abstände zwischen Feldern mit und ohne Genpflanzen vorgeschrieben.
Die gentechnikfreundliche FDP-Bundestagsabgeordnete Christel Happach-Kasan dagegen verlangte, nun die gesamte europäische Gesetzgebung zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln "auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen". Gentech-Honig sei ungefährlich.
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