: Honduras: Contra–Hilfe führt zu Machtkampf in der Armee
■ Unter den korrupten Militärs hat zunächst eine Fraktion gesiegt, die weiter rechts steht als die bisherigen Kommandanten. Aber von unten stossen bereits jüngere Offiziere mit nationalistischer Gesinnung nach. Von den Amerikanern und der Contra verlangen sie Respekt für die nationale Souveränität.
Aus Honduras J.–P. Gerber
Wenn sich die honduranischen Militärs in die Haare geraten, und das ist in letzter Zeit häufig der Fall, geht es in erster Linie ums Geld. Auch der neueste „Kasernenstreich“, der sich am letzten Septemberwochenende abgespielt hat, passt in dieses Schema. Wie gewohnt verbreitete das Oberkommando nichtssagende Presseerklärungen, die von „Routinewechsel“ sprachen, während die Bewohner der Hauptstadt angstvoll den Truppenaufmarsch rund um das Armeehauptquartier und das 1. Infanteriebataillon verfolgten. Resultat des internen Machtkampfes: mehr als 20 Schlüsselstellen wurden neu besetzt, darunter die entscheidenden Kommandos über das Landheer und über die Infanteriebataillone, die rund um die wichtigsten Städte des Landes stationiert sind. Ursache und Wirkung dieses Machtpokers der Militärs waren zunächst unklar, und die Medien, auch die Internationalen, verbreiteten mangels Information hauptsächlich Gerüchte. Staatspräsident Jose Azcona lieferte seinen eigenen Beitrag zum Verwirrspiel, als er erklärte: „In jeder Institution gibt es Wechsel“, und die Umbesetzungen hätten „keinen Einfluß auf die Regierung.“ Ein Informant aus Kreisen der Armee, dessen Name ungenannt bleiben muß, bezeichnete diese Auffassung als „absurd“. Seiner Ansicht nach handelt es sich um den gravierendsten Machtkampf innerhalb der Streitkräfte seit Jahren. Die Armee von Honduras, darüber sind sich die politischen Beobachter einig, übertrifft die zivile Regierung an Macht und Einfluß um ein Vielfaches, weshalb sich jede innere Veränderung auch politisch auswirkt. Der jüngste Streit innerhalb der Armee begann mit einer Auseinandersetzung zwischen hohen Offizieren der fünften „Promotion“, die zur Zeit die Armeespitze kontrolliert. Die einzelnen „Promotionen“ bestehen aus Offizieren, die gemeinsam die Offiziersschule besucht und ihr Brevet erworben haben. Die fünfte „Promotion“ gilt als besonders korrupt, und laut einem Armeeinformanten sind 18 Obristen dieser Einheit in dunkle Geschäfte mit der Contra verwickelt. Bis jetzt wurden die lukrativen Transaktionen mit den US–Hilfsgeldern für die Contra über den Supermarkt „hermando pedro“ abgewickelt, der dem stellvertretenden Parlamentsabgeordneten Rodolfo Zelaya gehört. Kurz vor dem Eintreffen der 100 Millionen Dollar für die Contra ist nun unter den hohen honduranischen Militärs ein Kampf um die Kontrolle über dieses Geschäft entbrannt. Nachdem die (Militär– ) Polizei Anfang August das Haus Zelayas gestürmt hatte, beschuldigte „klare Nacht“, wie Zelaya in Honduras genannt wird, den Polizeikommandanten Oberst Wilfredo Sanchez und den Chef des Armeegeheimdienstes g–2, Oberst Roberto Nunez Montes, sie wollten mit Terror gegen ihn das Geschäft mit den Antisandinisten an sich reißen. Die Affäre fügte dem bereits ramponierten Ruf der Armee neuen Schaden zu, wofür sich die Kommandanten, so der Informant, gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben. Der Kommandant des 1. Infanteriebataillons, Oberst Leonel Aquiles Riera Lunatti, nutzte die Gunst der Stunde, um seinen Erzfeind, Oberstleutnant Said Speer, auszuschalten. Speer kommandierte das mächtige „gepanzerte Infanterieregiment“, war aber, so der Armeeinformant, zugleich einer der Hauptverdiener am Geschäft mit der Contra. Nach dem Polizeiangriff auf Zelaya ließ er das Wohnhaus seines „Geschäftsfreundes“ von Truppen bewachen. Der Panzeroffizier sträubte sich zunächst, das Kommando ab zugeben, doch seine Oberleutnants und Majore von der sechsten und siebenten „Promotion“ verweigerten ihm die Gefolgschaft. Sie und ihre Promotionskameraden in anderen Einheiten hatten sich nach Darstellung des Informanten seit langem an den korrupten Praktiken ihrer Vorgesetzten gestoßen und unter dem Prestigeverlust der Armee gelitten. Na mentlich die sechste „Promotion“ genießt den Ruf, volksnaher, nationalistischer und weit weniger korrupt zu sein als die Offiziere der älteren fünften „Promotion“. So konnte sich Riera Lunatti gegen Said Speer durchsetzen und nutzte die Gelegenheit, dessen treuesten Freunden auch gleich den Laufpaß zu geben. Unter ihnen finden sich der bisherige Kommandant des Landheeres, Oberst Guillermo Thuman Cordon, der als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Armeeoberbefehlshaber Humberto Regalado Hernandez galt. Entmachtet wurde auch Oberst Hector Aplicano, Direktor der Generalstabsschule, der das Geschäft mit der Contra hauptsächlich kontrolliert haben soll. Als Rodolfo Zelaya sah, daß seine Freunde in der Armee die Schlacht verloren, brachte er sich mit dem nächstbesten Flugzeug nach Miami in Sicherheit. Der Kommandant der Streitkräfte, General Humberto Regalado Hernandez, den gut informierte Kreise in der Armee als „machtlose Marionette“ bezeichnen, mußte überstürzt von einem Aufenthalt in Miami zurückkehren und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch Staatspräsident Azcona, dem verfassungsmäßigen Armeeoberbefehlshaber, blieb nur die nachträgliche Zustimmung übrig. Als Sieger und scheinbar neuer starker Mann ging aus dem Konflikt Oberst Riera Lunatti hervor, der unverzüglich die Armeespitze mit seinen Freunden aus der fünften „Promotion“ besetzte. Zum Zuge kamen deutlich rechtsstehendere Offiziere, wie Oberst Juan Lopez Grijalva, der das Kommando über das 1. Infanteriebataillon übernahm. Grijalva hatte Anfang der achtziger Jahre als Polizeichef zusammen mit General Gustavo Alvarez Martinez für die politische Repression verantwortlich gezeichnet. Riera Lunatti selbst besetzte die Schlüsselstelle des Kommandanten der Landstreitkräfte und spekuliert nun offensichtlich darauf, im kommenden Januar, wenn die Amtszeit Regalado Hernandez abläuft, vom Parlament zum neuen Oberbefehlshaber gewählt zu werden. Der Kongreß fügt sich bei der Wahl des Armeechefs traditionell dem Willen der Streitkräfte. Doch das Bild vom „neuen starken Mann“ täuscht. Gut informierte Armeequellen versichern, Riera Lunatti sei ebenfalls korrupt und genieße deshalb unter den stellvertretenden Bataillonskommandanten der sechsten und siebenten „Promotion“, die unterdessen den Ton angeben, ebensowenig Unterstützung wie General Regalado Hernandez. Somit ist in der Armeespitze ein Machtvakuum entstanden, in das nach Ansicht unabhängiger Militärexperten die Offiziere der sechsten Promotion nachrücken werden. Nach Angaben eines Informanten aus diesem Kreis der jungen Offiziere planen die Oberstleutnants und Majore der sechsten und siebenten „Promotion“ noch vor Dezember, das Oberkommando von allen korrupten Offizieren der fünften „Promotion“ zu säubern. Das dürfte nochmals einen Kasernenputsch absetzen, bei dem es möglicherweise nicht ohne Gewalt zugehen wird. Fazit: vordergründige Gewinnerin des jüngsten Kasernenputsches ist eine mehr nach rechts tendierende Fraktion der fünften Offizierspromotion. In Wirklichkeit ist aber die Macht an die sechste „Promotion“ übergegangen, die der Korruption überdrüssig ist und einen nationalistischeren Kurs steuert. Die Offiziere dieser Generation sind zwar ebenfalls stramm antikommunistisch und amerikafreundlich. Doch von den Amerikanern verlangen sie mehr Respekt für die nationale Souveränität, und der Contra wollen sie eine Frist setzen, binnen welcher die Rebellen ihre Basen und Truppen endgültig aus Honduras abziehen müssen. „Die meisten jungen Offiziere haben erkannt“, versichert ein Informant, „daß die mehr als 10.000 Kaffepflanzer, die aus der von der Contra beherrschten Zone vertrieben wurden, für Honduras eine Zeitbombe bedeuten“.
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