Homosexualität und Kirche: Meuterndem Evangelikalen gekündigt
Die sächsische Landeskirche erlaubt schwule und lesbische Partner im Pfarrhaus. Evangelikale wettern gegen die Kirchenleitung. Die zog nun Konsequenzen.
LEIPZIG taz | Lange hat sie gezögert, jetzt griff sie doch noch durch: Die sächsische Landeskirche hat einem evangelikalen Hardliner gekündigt, der gegen homosexuelle Pfarrer mobilgemacht hatte.
Der Streit zwischen der Landeskirche und den Evangelikalen hat sich an einer Regelung vom April entzündet, nach der die Kirche Pfarrern in „Ausnahmefällen“ erlaubt, gemeinsam mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner im Pfarrhaus zu leben. Die Hürden dafür sind hoch, erst müssen verschiedene Stellen dem Zusammenleben im Pfarrhaus ihren Segen geben– ein Verfahren, das bei heterosexuellen Paaren undenkbar wäre.
Evangelikale Hardliner hatten Anfang Juni zur Meuterei aufgerufen. In einer öffentlichen Erklärung verkündete das „Evangelisationsteam“, den Landesbischof, die Kirchenleitung und die Landessynode nicht länger als geistliche Leitung anzuerkennen. Zum Evangelisationsteam gehören nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch vier Kirchenmitarbeiter.
Landesbischof Jochen Bohl bezeichnete diesen Vorgang deshalb als „beispiellose Illoyalität“. Doch erst nach monatelangem Zögern sah sich die Kirche gezwungen, einem der Mitarbeiter zu kündigen – nicht wegen dessen Ansichten zur Homosexualität, wie die Kirche eilig in einer Pressemitteilung betonte, sondern wegen des Spaltungsaufrufs.
Der Gekündigte Lutz Scheufler war im Jugendpfarramt in Dresden tätig. „Die Neigung zum gleichen Geschlecht ist keine Schöpfungsvariante, sondern Folge des Sündenfalls. Wer bewusst in einer Sünde verharrt, passt nicht in das Reich Gottes“, schreibt Scheufler auf der Internetseite des Evangelisationsteams.
Monatelang hatte die Kirchenleitung die Evangelikalen gebeten, ihre Haltung zu „überdenken“. Keiner der vier Kirchenmitarbeiter war bereit, die Erklärung öffentlich zu widerrufen. Hinter verschlossenen Türen habe es jedoch mit drei Unterzeichnern „hinreichende Klarstellungen“ gegeben.
Die Evangelikalen betrachten die Bibel als alleinige Glaubensgrundlage, die sie wörtlich auslegen und mitunter missionarisch vertreten. Im Umgang mit ihnen hat die Landeskirche allen Grund zur Vorsicht. Jede siebte Gemeinde hat eine Petition des Evangelisationsteams gegen die Homosexuellen-Regelung unterstützt, die nun tatsächlich wieder zur Disposition steht. Der Beschluss soll in einem dreijährigen Gesprächsprozess neu verhandelt werden. „Inwieweit Korrekturen erforderlich sind“, sei offen, erklärte Oberlandeskirchenrätin Jördis Bürger.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen