Holzmafia auf Madagaskar: "Gebraucht wird Rosenholz"
Seitdem auf Madagaskar das politische Chaos ausgebrochen ist, eskaliert der Raubbau in den Regenwäldern. Mit Radiodurchsagen werden kleine Banden beauftragt, geschützte Holzarten zu besorgen.
ANTANANARIVO taz | Das Radio knistert ein wenig, während der Nachrichtensprecher im Lokalfunk das Wetter für den Nordosten Madagaskars verliest. Weiterhin regnerisch, nichts Besonderes in der Region rund um die Hafenstadt Vohémar - den neuen, madagassischen Namen Iharana benutzt hier kaum jemand. Es folgen Ankündigungen. "Gebraucht werden 20 Stämme Rosenholz, Stamm mindestens ein Meter Durchmesser, zu liefern bis in einer Woche." Es folgt der Name des Abnehmers und der Verschiffungshafen: Vohémar.
"Von solchen Durchsagen hören wir im Moment immer wieder", sagt Nanie Ratsifandrihamanana, Naturschutzdirektorin beim madagassischen WWF. "Was dann passiert, ist Folgendes: Kleine Banden von Holzfällern ziehen in den Regenwald und suchen die passenden Stämme, die entweder auf Flüssen oder auf Straßen zu einem Sammelpunkt transportiert werden." Von dort werden sie auf Sattelschlepper geladen und in den nächsten Hafen transportiert - nach Vohémar oder weiter südlich nach Toamasina, Madagaskars größter Hafenstadt.
Illegale Abholzung hat es in Madagaskar schon immer gegeben. Doch seit die politischen Unruhen das Land Anfang des Jahres ins Chaos gestürzt haben, hat das Geschäft mit den Edelhölzern explosionsartig zugenommen. Es geht um Millionen: Harthölzer wie Rosenholz, Palisander und Ebenholz, die anderswo in der Welt längst restlos ausgerottet worden sind, gibt es in den dichten Regenwäldern im Nordosten Madagaskars noch vergleichsweise viel, obwohl von der ursprünglichen Waldfläche Madagaskars heute nur noch weniger als ein Zehntel steht. Fast 5 Millionen Hektar Regenwald stehen unter Naturschutz, noch einmal die gleiche Fläche gilt als unberührter Primärregenwald. Der Nordosten ist zugleich die unzugänglichste Region der Inselrepublik. Straßen enden im Nichts, weil sie vom letzten Zyklon weggespült wurden, viele Dörfer sind nur auf den zahlreichen Flüssen zu erreichen. Geschützt wurde die Natur hier bislang vor allem von Dorfbewohnern, die von der Nationalparkverwaltung oder von Umweltgruppen bezahlt wurden, und von der örtlichen Polizei. Doch seit der alte Präsident Marc Ravalomanana vor gut zwei Monaten außer Landes geflohen ist und Oppositionsführer Andry Rajoelina sich zum Nachfolger ernannt hat, herrscht überall im Land Unklarheit darüber, wer derzeit regiert. Das Machtvakuum nutzen mafiöse Gruppen, die die Regenwälder systematisch nach den wertvollsten Bäumen durchforsten.
"Wir mussten unsere Mitarbeiter aus vielen Regionen abziehen", erklärt Niall OConnor, der WWF-Geschäftsführer auf Madagaskar. "Wir können niemanden in Gefahr bringen." Den mit deutscher Hilfe aufgebauten Nationalpark Marojejy im Nordosten, ein als Weltkulturerbe geschützter Nebelwald, musste die Nationalparkverwaltung im April schließen. "In der Region herrscht absolute Gesetzlosigkeit", heißt es in einer Mitteilung des Amtes. "Gangs schwer bewaffneter Männer sind im Park unterwegs, um im großen Stil Edelhölzer zu schlagen." Ein Naturschützer aus der Region berichtet von einem Versuch, die Kriminellen mithilfe der Polizei zu vertreiben. "Das hat nicht funktioniert, die haben uns bedroht und gesagt: Wenn ihr weiterleben wollt, haut ab und kehrt dahin zurück, wo ihr hergekommen seid." Seinen Namen will der Aktivist nicht nennen. "Ich lebe nicht weit vom Park entfernt in einem Dorf, die können mich jederzeit finden und umbringen."
"Die Situation in den Wäldern hat direkt mit den Aktivitäten mafiöser Gruppen und der derzeit besonders schwachen staatlichen Strukturen in der Region zu tun", bestätigt OConnor. Holz im Wert von mehr als 100 Millionen US-Dollar, so Schätzungen, ist seit Anfang des Jahres illegal außer Landes geschafft worden. Die nackten Zahlen zeigen, dass hinter dem Raubbau keine Amateure stecken. In der Nationalparkverwaltung ist bekannt, dass es spezialisierte Syndikate vor allem aus China sind, die den lukrativen Handel kontrollieren. Von Vohémar und Toamasina aus werden die Baumstämme über Umwege ins Reich der Mitte verschifft - dabei, so erklären Insider, werden die Ladepapiere gefälscht; die Herkunft des Holzes wird umdeklariert.
Besonders brisant ist das Geschäft, weil es Hinweise auf Verflechtungen mit der höchsten Regierungsebene gibt. Zitieren lassen will sich dazu niemand, aus Angst vor Repressionen. Doch jeder, der im Naturschutz arbeitet, weiß, was passierte, als Madagaskars neu ernannter Umweltminister im Mai den Hafen in Toamasina schließen ließ, um die Holzexporte zu stoppen. 24 Stunden später landete ein Privatjet auf dem internationalen Flughafen von Ivato, an Bord eine Delegation, die direkt zum Präsidentenpalast fuhr. Wenige Stunden später wurden die Häfen wieder geöffnet.
Dabei ist es nicht nur die neue Regierung, die offenbar von dem Handel mit Edelhölzern profitiert. Der geflohene Präsident Ravalomanana war es, der als eine seiner letzten Amtshandlungen im Januar das komplette Exportverbot aufhob, angeblich, um gelagerte Stämme, die beim letzten Zyklon umgestürzt waren, ins Ausland zu verkaufen. Ende April fanden Polizisten auf dem Grundstück eines Ravalomanana nahe stehenden Geschäftsmanns mehr als 700 Stämme wertvoller Edelhölzer. Doch solche Funde sind die Ausnahme. Vor wenigen Wochen stürmten Polizisten ein Gelände nahe dem internationalen Flughafen, auf dem eine chinesische Firma zwei Hangars voller Edelhölzer gelagert hatte. Der Besitzer war offenbar gewarnt worden und hatte sich bereits nach Mauritius abgesetzt. Was mit den Hölzern geschehen ist, ist unklar.
Naturschützer befürchten das Schlimmste. Madagaskar ist nicht irgendeine Insel, sondern einer der weltweit bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspots. Mehr als 95 Prozent der hier vorkommenden 200.000 Tier- und Pflanzenarten gibt es ausschließlich auf Madagaskar. "Viele sind noch gar nicht entdeckt worden", warnt Ratsifandrihamanana. "Wir verlieren, was wir noch gar nicht kennen." Die Biologin fürchtet die langfristigen Folgen: Die von der Holzmafia frei geschlagenen Straßen, die tief in die Wälder führen, sind Zugangsstrecken für neue Siedler, die den bislang unberührten Regenwald weiter zu zerstören drohen. Berichte, nach denen Lemuren, die auf Madagaskar endemischen Halbaffen, gejagt und als Buschfleisch auf den umliegenden Märkten verkauft werden, häufen sich.
Immer mehr Einheimische, die bislang auf der Seite der Naturschützer standen, weil der Tourismus in den geschützten Parks ihre einzige Einkunftsquelle war, wechseln die Seiten. Seit Beginn der Krise kommen kaum noch Urlauber nach Madagaskar, wenn überhaupt, verirren sich Pauschaltouristen in die Strandresorts im Nordwesten Madagaskars. Selbst Nationalparks wie der von Andasibe, nur drei Stunden von der Hauptstadt Antananarivo entfernt, sind leer. "Eigentlich ist jetzt Hochsaison", stöhnt die knapp 1,60 Meter große, zierliche Celine Andriamborine, die in Andasibe normalerweise Gäste zu Fuß durch den hiesigen Regenwald, Madagaskars beliebtesten Nationalpark, führt. "Aber statt der gut 300 Besucher, die wir hier sonst täglich haben, kommen im Moment vielleicht zwei oder drei." Die 39-Jährige ist ratlos. "Wir wissen nicht, was wir machen sollen, wir Führer sind alle Dorfbewohner hier aus der Gegend, ohne die Urlauber haben wir kein Einkommen mehr."
Auch für die vom Staat bezahlten Wildhüter wird das Geld immer knapper: Ihr Gehalt wird aus den Parkgebühren finanziert, die derzeit kaum etwas abwerfen. Sollten die Wildhüter das Handtuch schmeißen, so die große Angst bei Madagaskars Naturschützern, könnte die Holzmafia sich schnell in bislang noch gesicherte Ecken der Insel ausbreiten.
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