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■ Hollands Justiz verhört ab Februar fernVideo-Vernehmung soll Geld sparen

Amsterdam (taz) – Verhöre von Untersuchungsgefangenen im Gerichtssaal sind teuer, aufwendig und gefährlich. Es gibt nämlich kaum eine bessere Möglichkeit für die Delinquenten, der Polizei doch noch zu entwischen. Deshalb beginnt die niederländische Justiz ab Februar damit, die Verdächtigen per Video zu verhören. Während die Richter es sich im Gerichtssaal bequem machen können, starren die Verdächtigen im Gefängnis in Videokameras – und hören die Stimme von einer Art Big Brother. In den USA gibt es diese Art von Verhören bereits seit längerem.

Die ersten „Tele-Verhöre“ sollen vier Wochen lang probeweise zwischen dem Gefängnis im friesischen Hoogeveen und dem Gericht in Assen stattfinden. „Eigentlich ist es unglaublich, daß wir solche Technologien noch nicht genutzt haben“, heißt es aus dem Haager Justizministerium.

Das Tele-Verhör erspart die grüne Minna

Tausende Male jährlich fahren in Holland Gefangenenautos zwischen Gefängnis und Gerichtshäusern, das kostet viel Zeit und viel Geld. Obendrein wissen Verdächtige und deren Helfer, daß der Transport stets die Achillesferse der Justiz ist. Mit Kamera und Videorecorder sollen die Delinquenten nun in sicherem Abstand von den Fluchtwegen gehalten werden. Auch sei es möglich, Verhöre über die Staatsgrenze hinweg kostengünstiger zu gestalten. Zeugen oder Verdächtige müßten dann nicht umständlich und teuer aus dem Ausland in niederländische Gerichtssäle reisen.

Die im Justizministerium angestellte Initiatorin dieser neuen Verhör-Technik, Frau C. L. Kuijper-Keijzer, hatte als Richterin in Amsterdam höchst frustrierende Erfahrungen gemacht. Wöchentlich hatte man bis zu 60 Verdächtige wegen formeller, nur weniger Minuten lang dauernder Verhöre stundenlang aufwendig durch die Stadt kutschiert. Dabei ging es doch meistens bloß um die lapidare Frage, ob und wie lange noch der Verdächtige noch weiter in Untersuchungshaft bleiben solle.

Im Gericht von Assen hatten sich die Richter einen ganzen Tag in der Woche nur mit derlei Prozeduren beschäftigt, während andere wichtige Arbeit liegenblieb. Nunmehr geht man davon aus, daß bei nur einer Fernsehsitzung bis zu sechs Verhöre stattfinden können. Erste „Trockenübungen“ zwischen dem Gefängnis in Hoogeveen und den Assener Richtern verliefen zufriedenstellend. Kameraeinstellungen wurden ausprobiert, die holländische Telekom legte extra Leitungen – letzteres sei jedoch in Zukunft nicht mehr nötig.

Wer will, kann trotzdem Live-Richter bekommen

Allerdings sind die Gefangenen nicht verpflichtet, sich darauf einzulassen. Per Gesetz steht ihnen weiterhin das Recht zu, leibhaftig vor dem Richter oder der Richterin erscheinen zu dürfen. Man gehe aber davon aus, daß die meisten mitmachen werden – schließlich seien die Gefangenentransporte in engen Fahrzeugen nicht gerade eine Vergnügungsreise.

Der ganze Versuch wird von Psychologen der Universität Amsterdam begleitet. Die Wissenschaftler sollen beobachten, wie sich die Kommunikation zwischen Richter und dem Verhörten verändert. Dies soll nötig sein, weil der Richter eventuell nicht mehr so genau die Regungen des Gesichtes verfolgen kann – Blicke verraten ja bekanntlich manchmal mehr als tausend Worte. Dazu soll nun eine von mehreren Kameras die Möglichkeit bieten, das Gesicht des Gefangenen näher heran zu „zoomen“. Falk Medeja

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