Hollandes Antrittsbesuch bei Merkel: Der Blitz schlug nur ins Flugzeug ein
Um Deeskalation bemüht: Das erste Treffen von Francois Hollande und Angela Merkel blieb höflich distanziert. Die Sticheleien aus dem Wahlkampf sind nicht vergessen.
BERLIN taz | Nein, ein gutes Omen war es nicht, dass das Flugzeug von Francois Hollande auf dem Weg zum Antrittsbesuch bei Angela Merkel nach einem Blitzeinschlag zunächst nach Paris zurückfliegen musste.
Zwar wiesen französische Journalisten sofort darauf hin, dass der Ausdruck für den Blitzschlag, „Coup de Foudre“, auch „Liebe auf den ersten Blick“ bedeutet. Doch davon war beim ersten Aufeinandertreffen des französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin wenig zu spüren. Eher schien es, als ob Hollande auch im übertragenen Sinn mehrere Anläufe braucht, bis er in Berlin wirklich landen kann.
Mit seiner Entscheidung, noch am Tag seiner Amtseinführung zu einem Kurzbesuch nach Deutschland zu reisen, hatte Hollande ein deutliches Symbol gesetzt: Er will das Fern-Duell aus der Zeit des Wahlkampfes beenden, in dem er in jeder Rede gegen Merkels Europa-Kurs stichelte, während diese offen Partei für Amtsinhaber Nicolas Sarkozy ergriff und sich weigerte, den Herausforderer zu treffen. Doch in Berlin blieb der neue Präsident distanziert.
Zur Begrüßung gab es statt Wangenküsschen nur einen schlichten Handschlag, Lächeln wurde sparsam dosiert. Und auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Anschluss an das abendliche Gespräch verzichtete Hollande nicht auf kleine Sticheleien gegen Merkel. „Der Grund des Treffens ist, sich kennzulernen – auch wenn ihr Ruf natürlich über die Landesgrenzen hinaus ging“, sagte er unter Anspielung auf den Fern-Zwist im Wahlkampf.
Auf Merkels Bekenntnis, auch sie wünsche sich Wachstum in Europa, antwortete Hollande, dies dürfe aber „keine Worthülse“ bleiben. Und auch Streitthemen, etwa die von Deutschland abgelehnte Einführung von Eurobonds, sprach er an.
Spekulation auf Kompromissbereitschaft
Die entscheidende Frage, ob sich das von ihm gewünschte Wachstumsprogramm in Ergänzung zum europäischen Fiskalpakt realisieren lässt oder ob er diesen Vertrag, der alle Eurostaaten auf einen strikten Sparkurs verpflichtet, neu verhandeln will, ließ Hollande am Dienstag offen. „Wir müssen beim EU-Gipfel Ende Juni alle Vorschläge auf den Tisch legen“, sagte er. „Am Ende dieser Beratungen werde ich die Frage beantworten können.“
In Deutschland wird darauf spekuliert, dass Hollande nach den französischen Parlamentswahlen Mitte Juni deutlich kompromissbereiter sein wird und nicht auch einer Neuverhandlung besteht.
Merkel bemühte sich derweil, Spannungen vergessen zu machen. „Ich sehe unserer gemeinsamen Arbeit mit Freude und Spannung entgegen“, sagte sie. Und mit der kurz vor dem Treffen gefallenen Entscheidung, dass in Griechenland nach der gescheiterten Regierungsbildung noch einmal gewählt werden muss, gab es zumindest ein Thema, bei dem sie mit Hollande uneingeschränkt einer Meinung war. „Wir möchten, dass Griechenland im Euro bleibt“, betonte Merkel. „Ich könnte nichts anderes antworten als die Kanzlerin“, erwiderte Hollande.
Gemeinsame Sorgenkinder scheinen doch die beste Grundlage für eine stabile Beziehung zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren