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Archiv-Artikel

Hohe Belastung, idiotische Bürokratie

Journalisten anderer Zeitungen haben längst die berufliche und wirtschaftliche Situation der Ärzteschaft erkannt und berichten sachlich darüber. Es ist unverkennbare Realität, dass Arbeitsbelastung und idiotische Bürokratie zunehmen und die Vergütung gleichzeitig zurückgeht bei körperlich und geistig höchsten Anforderungen. Es ist alles andere als lustig, wenn man bei seiner Bank trotz gut laufender Praxis und Maximaleinsatz um Verlängerung von Krediten betteln muss, da man seine Praxis sonst schließen könnte.

Bezahlt werden niedergelassene Ärzte über das abstruseste Vergütungssystem, das je von Menschenhirnen ersonnen wurde. In welchem Betrieb wird der Verdienst ab einer bestimmten Höhe gekappt, egal welche qualitative und quantitative Leistung man erbringt? All das trägt zu einer enormen Frustration vieler Ärzte bei. Kaum 50 Prozent würden bei einer erneuten Wahlmöglichkeit nochmals diesen Beruf ergreifen. Viele Mediziner gehen nach dem Studium weder in die Klinik noch in eine Praxis, sondern in die Wirtschaft, Wissenschaft oder schlicht ins Ausland. Dort sind Arbeitsbedingungen und Bezahlung wesentlich günstiger.

Dass andere Berufsgruppen Verluste hinnehmen müssen, ist bedauerlich, aber nicht durch Ärzte verschuldet. Es ist doch kein Argument, dass Ärzte deshalb schweigen müssten, statt auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Das würde einem arbeitslos gewordenen oder schlechter bezahlen Arbeiter oder Angestellten nichts nützen. Er hat aber unter Umständen gewaltige Nachteile, wenn sein Arzt die Praxis schließen müsste. Jetzt ist es ja schon so, dass Facharzttermine kaum früher als in drei Monaten zu bekommen sind. Speziell in Berlin-Neukölln hat eine regelrechte Flucht von Fachärzten eingesetzt, weil ihre Einkommensverluste sich nicht durch Privatleistungen ausgleichen lassen.

WILLI HOFMANN, Berlin