: Hoffnungsschimmer im Armengetto
Das Wuppertaler Stadtteilprojekt „Oase“ macht das Leben in der Hochhaussiedlung erträglich. Die Beschäftigung im selbst organisierten Bürgerzentrum befriedet die Bewohner. Das spart Geld, freuen sich Vermieter und Stadt
WUPPERTAL taz ■ Die Wohnanlage Gustav-Heinemann-Straße im Wuppertaler Stadtteil Uellendahl ist eine typische 70er-Jahre-Bausünde. Drei Hochhäuser für 600 Menschen, weder Freizeit- noch Einkaufsmöglichkeiten. Wer es sich leisten kann, lebt woanders. Wer hier wohnt, lebt meist von staatlicher Hilfe. Auf Viertel dieser Art fällt der Blick, wenn nach den Unruhen in Frankreich auch hierzulande wieder über soziale Ausgrenzung diskutiert wird. Etwas allerdings ist anders in der Siedlung: die „Oase“. Das Projekt zeigt, dass man der Verslummung von Quartieren etwas entgegensetzen kann – auch wenn die Bewohner arm sind und ihre Lage hoffnungslos scheint. Wie das funktioniert, erzählte Andreas Bunge von der Wuppertaler Diakonie am Dienstag auf der Jugendhilfekonferenz des Landschaftsverbands Rheinland in Köln.
Die Idee, mit der das Projekt im Jahr 2000 startete, war, „das Wohnquartier wieder zum Funktionieren zu bringen“, indem man die Anonymität und Isolation durchbricht und die Bewohner in die Gestaltung des Viertels einbezieht, sagte Bunge. „Mehr soziale Kontrolle und Verantwortung und weniger Anspruchsdenken gegenüber staatlichen Hilfen“, formulierte er die Leitlinie der Diakonie für das Projekt. In der Praxis hieß dies, zuerst in Gesprächen und Mieterversammlungen zu ermitteln, was die Bewohner wollen und dann „geeignete Bürger in die Verantwortung nehmen, teilweise sogar finanziell“.
So entstand das Begegnungszentrum „Oase“. Nach drei Jahren Übergangslösung im Container stand das Gebäude – finanziert von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG), Stadt und Sponsoren. Heute reicht das Angebot der Oase von Mittagstisch, Kochkursen, Hausaufgabenbetreuung, Sport- und Computerkursen bis zu Job-Coaching, Hausmeister- und Polizeisprechstunde. Vieles werde von den Bewohnern selbst gemanagt, betonte Bunge. Auf ihren Wunsch sei auch ein Bolzplatz angelegt und in einem leeren Keller ein Trainingsraum eingerichtet worden, in dem ein Polizist mit den Jugendlichen Bodybuilding macht.
Für die Beteiligten von Stadt und GWG ist das Projekt ein voller Erfolg. Die Polizei habe ihm bestätigt, dass Delinquenz und „Auffälligkeiten“ stark zurückgegangen seien, sagt Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn. „Wir machen hier sehr, sehr gute Erfahrungen.“ Zufrieden klingt auch der Vermieter. „Es gibt jetzt ein friedliches Zusammenleben und nachbarschaftliches Miteinander trotz der vielen Kulturen“, bestätigt Wilfried Mohr von der GWG. Auch das aus Problemsiedlungen bekannte Vandalismus-Problem, das der GWG noch Ende der 90er Jahre beträchtliche Kosten verursacht habe, sei quasi erledigt: „Die bewusste Zerstörung geht gegen Null.“
Finanziell ist die Oase auf jeden Fall ein lohnendes Projekt: für die GWG, die 45 Prozent der laufenden Kosten übernimmt, ebenso wie für die Stadt. Die Einsparungen könne man zwar nicht beziffern, aber „natürlich soll das Projekt die Jugendhilfe entlasten“, gibt der Sozialdezernent zu. Es gehe der Kommune jedoch nicht darum, Geld zu sparen. Man habe nur erkannt, dass präventive und stadtteilorientierte Hilfe effektiver ist als klassische Sozialarbeit. Das ist auch das neue Credo der Diakonie. Mit der bisherigen Methode der Einzelfallhilfe durch spezialisierte Einzeldienste – wie Familien-, Gesundheits-, Erziehungs-, oder Sozialberatung – könne man den neuen Herausforderungen nicht beikommen, glaubt Bunge. „Wir brauchen den Perspektivenwechsel: Unser Klient ist das Wohnquartier.“SUSANNE GANNOTT