Hoffenheim wieder Spitze: Bescheidenheit, adieu
Die Hoffenheimer sind nach ihrem 3:1-Erfolg in Bochum wieder Spitzenreiter: Das Understatement gehört der Vergangenheit an. Ziel ist jetzt ein "attraktiver Tabellenplatz".
Die Stimme kam von rechts, aus dem Dunkel. Jan Schindelmeiser musste schon die Hand über die Augen legen, um das trübe Laternenlicht über seinem Kopf auszublenden und zumindest die Konturen der beiden jungen Männer erkennen zu können. Deren Wortführer krakeelte jetzt noch einmal: "Hey, Schindelmeiser: Autogrammkarte." Eine recht unflätig vorgetragene Bitte, die der Manager der TSG 1899 Hoffenheim jedoch wie ein wohlerzogener Internatsschüler beantwortete. "Ich habe keine Autogrammkarte", rief er den Bengels hinter der Absperrung zu und erklärte fast entschuldigend. "Ich bin der Einzige hier, der noch keine hat."
Das dürfte sich bald ändern, denn Senkrechtstarter Hoffenheim gilt im Lande zunehmend als hip. Mit dem letztlich souveränen 3:1 in Bochum eroberte der beste und aufregendste Bundesliga-Aufsteiger seit dem FC Bayern der 1960er-Jahre die tags zuvor verlorene Tabellenführung zurück.
Die großen Nachrichtenmagazine des Landes stehen auch vor dem morgigen Heimspiel gegen Karlsruhe wieder mit der Bitte um Exklusiv-Interviews bei der TSG auf der Matte. Der nationale Neid auf den prall gefüllten Geldbeutel des Neulings weicht immer mehr der Bewunderung für den Fußball, der im Kraichgau organisiert wird.
Nicht nur Bundestrainer Joachim Löw hat längst erkannt, dass die wöchentliche Fußball-Show der Rangnick-Elf "nichts mit Aufstiegseuphorie zu tun hat". Ein normaler Aufsteiger war das wirtschaftlich bestens unterfütterte und fälschlicherweise oft als Dorfklub verniedlichte Hoffenheim ohnehin nie. Inzwischen hat sich die Mannschaft mit dem zarten Durchschnittsalter von 23,6 Jahren im Höllentempo in der Bundesliga akklimatisiert: Der Sieg in Bochum war bereits ihr vierter in Folge - viel wichtiger aber: Rangnicks junge Tempofußballer haben wieder etwas dazugelernt.
Ein Klacks sei das schnell geregelte 3:0 gegen Hamburg am Sonntag im Vergleich zur Bochum-Partie gewesen, fand Cheftrainer Ralf Rangnick. Ein früher Rückstand, dazu die von den fußballerisch arg limitierten Gastgebern entfachte Hektik - in Anbetracht der Umstände warf der zuständige Coach seine übliche Abwiegelungstaktik fix über Bord.
"In Köln und St. Pauli haben wir bei einer ähnlichen Atmosphäre im letzten Jahr in der zweiten Liga noch verloren. Und umso schöner ist es, wenn man sieht, was für eine junge Mannschaft dieses Spiel gedreht hat", erzählte Rangnick genüsslich. Während Rechtsverteidiger Andreas Beck (21) den Abend locker zusammenfasste: "Nach dem glatten Sieg gegen Hamburg war es anfangs vielleicht ein psychologisches Problem. Aber in der zweiten Halbzeit haben wir wieder zu unserem Stiefel gefunden."
Die eigene verbale Mäßigung kommt Beck und Partnern ohnehin langsam albern vor. "Das ist wie ein kleines Märchen", gurrte Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus in Bochum - und Manager Schindelmeiser gestand gerne: "Das war ein weiterer Entwicklungsschritt für uns." Das Adieu an die Bescheidenheit konnte auch er sich nicht verkneifen. Der Tabellenplatz sei gar nicht so wichtig, lächelte Schindelmeiser. Sondern die Punkte. Da habe man schon "ein kräftiges Konto" vorzuweisen. Und dies im Rücken, könne sich das junge Team in aller Ruhe weiterentwickeln.
Der morgige Gegner wird überaus forsch taxiert. "Wir gehen ja nicht gerade als Außenseiter in das Karlsruhe-Spiel", sagt Schindelmeiser und denkt sogar schon an das Saisonfinale Ende Mai: "Da werden wir sicher einen attraktiven Platz belegen."
Brüder im offensiven Geiste findet der smarte Manager in diesen Tagen problemlos. Zum Beispiel in München, wo Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann Hoffenheim für die nächste Spielzeit bereits als internationalen Vertreter Deutschlands ausgerufen hat. Und außerdem der Meinung ist, die TSG werde in Sachen Meisterschaft "ein Wörtchen mitreden".
Lauter werden sie im Kraichgau ja jetzt schon. Und Schwachpunkte wie auf der Torhüterposition könnten bei Bedarf zum Beispiel mit dem Kauf des in Valencia abgeschriebenen Timo Hildebrand ausgemerzt werden. Am fehlenden Kleingeld wird es jedenfalls nicht scheitern.
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