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Archiv-Artikel

Höhn kämpft gegen Sofamulcher und Prämienritter

Umweltministerin fordert im Bundesrat höhere Standards für die Versorgung brachliegender Flächen. Selbst NRW-Landwirte stimmen ihr zu

DÜSSELDORF taz ■ Auf den brachliegenden Feldern nordrhein-westfälischer Bauern wird zwar schon kräftig „gemulcht“, also der Boden mit organischen Stoffen wie Rinden, Laub oder Pflanzenresten abgedeckt und gegen Erosion geschützt. Doch der Streit um die dafür vorgesehenen Subventionen geht unvermindert weiter.

Der Hintergrund: Mit der Einführung der EU-Agrarreform soll die Bezahlung der Landwirte vom Ertrag ihrer Produktion abgekoppelt werden. Stattdessen erhalten die Bauern so genannte Flächenprämien für ihre Arbeit als „Landschaftspfleger“. Während die Höhe der Subventionen, rund 300 Euro pro Hektar gemulchter Fläche, weitgehend unumstritten ist, herrscht im Bundesrat keinerlei Einigkeit darüber, welche ökologischen Standards die Bauern dafür erfüllen müssen.

Auf Druck einiger CDU-geführter Länder hatte der Bundesrat im September einer Verordnung zugestimmt, wonach es ausreichend ist, wenn die Landwirte die brachliegenden Flächen nur einmal jährlich mulchen. Doch Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) fordert vehement höhere ökologische Standards und strengere Auflagen für die Landwirte: „Es kann nicht angehen, dass es für „Sofamulcher“ in Zukunft 300 Euro Prämie pro Hektar bei nahezu keiner Gegenleistung gibt“, sagte Höhn zur taz. „Diese Entscheidung ist ein Skandal, eine absolute Unverschämtheit“, so die Ministerin.

Sie schlägt vor, dass Landwirte auf brachliegenden Ackerflächen mehrjährige Blühpflanzen aussäen und auf Weideflächen zumindest einmal jährlich die gemähten Pflanzen abtragen oder unterheben sollen. Das Aussäen neuer Pflanzen diene auch dem Artenschutz.

Die von den Konservativen und insbesondere von der süddeutschen Agrarlobby befürwortete Mulchregelung sieht dagegen vor, dass die Bauern auf ihren nicht genutzten Acker- und Weideflächen nur einmal in bis zu drei Jahren den Aufwuchs mähen und auf der Fläche liegen lassen. Dieser Prozess kostet nach Angaben des Umweltministeriums nur rund 30 Euro pro Hektar. Nach Abzug dieser Kosten bliebe den Bauern also ein Gewinn von rund 270 Euro pro Hektar. Die Umweltministerin hat deshalb kein Verständnis für die Regelung. In Zeiten knapper Kassen und harter Einschnitte in vielen Bereichen könne es sich die Politik nicht leisten, öffentliche Gelder für das Nichtstun zu gewähren: „Das diskreditiert die gesamten Agrarsubventionen.“

Unerwartete Schützenhilfe erhält Höhn in dieser Angelegenheit von den Bauernverbänden in NRW. Man sei in diesem Punkt einer Meinung mit der Ministerin, räumt Bernhard Schlindwein vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) ein. Ebenso wie Höhn kritisieren auch die nordrhein-westfälischen Bauern, im Gegensatz zum Deutschen Bauernverband, dass die Mulchverordnung ernste Konsequenzen für die aktiven Betriebe habe.

Wegen der hohen Gewinnspanne, von der die Betriebe durch das einfache Mulchen profitierten, würden sich immer mehr Landwirte dafür entscheiden, brachliegende, ungenutzte Flächen zu behalten und die Prämien zu kassieren, anstatt sie zu verpachten. „Die Konsequenz ist, dass Betriebe, die wachsen wollen, nicht mehr wissen, wie sie an Land kommen sollen“, so Schlindwein. Selbst der WLV fordert deshalb höhere Bewirtschaftungsstandards, damit das Mulchen und Nichtnutzen der Flächen unattraktiver wird.

Ob Höhn sich mit ihrer Kritik durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Zuversichtlich stimmt sie, dass auch EU-Agrarkommissar Franz Fischler die Entscheidung des Bundesrats ablehnt: „Es kann und wird keine Nichtstuer-Prämie geben. Die Wiesen einmal im Jahr zu mähen, ist sicherlich nicht genug an landwirtschaftlicher Aktivitä, um Agrarförderungen zu rechtfertigen.“ ULLA JASPER