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■ Höge in der LausitzKulturtouristen in der Kohle

Helmut Höge, anarchistischer Journalist des Alltags und taz-Autor, durchstreifte unsere schöne Republik und suchte nach Dokumenten deutscher Lebenskunst. Hier die letzte Station.

Im Lied des Baggerführers Gundermann aus dem Lausitzer Braunkohlerevier reimt sich „Arbeitsplatz“ auf „Piratenschatz“. Der seit dem 1. Januar arbeitslose Sänger ahnt die Folgen der Umwandlung seiner heimischen Industrielandschaft in eine „Lausitzer Seenplatte“ – mit Ufer-Immobilien und Öko-Projekten. Beim „größten Umweltsanierungsprojekt Europas“ (für 18 Milliarden Mark und mit 15.000 ABM-Stellen bis zum Jahr 2005) werden die „blühenden Landschaften“ wörtlich genommen.

Die Wismutregion um Ronneburg bewirbt sich gar um die Bundesgartenschau, und alle Tagebau-Rekultivierungsgebiete zusammen sind „Korrespondenzregionen der Expo 2000“. Auf der Lausitzer Verladehalbinsel Pritzen, wo sich seit der Wende Land- Art-Künstler versuchten, ist ein Yachthafen samt Werft geplant.

Bei Senftenberg wandelte die DDR bereits 1974 ein erstes Tagebaufeld in ein Bade- und Segelparadies um. Ein weiteres entstand dann bei Frankfurt/Oder: der „Helene-See“. Dort knöpft uns der Pächter, ein Westberliner Bauunternehmer, für zwei Personen mit Pkw neun Mark ab, weil wir dort baden wollen.

Im mitteldeutschen Industrierevier zwischen Bitterfeld, Dessau und Wittenberg ist ein anspruchsvolles Bagger-Freiluftmuseum mit Schienen-Shuttle-Anschluß auf der Tagebaulandzunge Golpa-Nord im Entstehen: „Ferropolis“ genannt. Ende August fuhr man bereits die ersten Industrie-Umwandlungspioniere aus dem Ruhrgebiet mit dem Sonderzug „Rheingold“ an das festlich illuminierte Großgerät.

Expo-Chefin Birgit Breuel lobt die Ostdeutschen, die vom Museum Peenemünde über das Filmmuseum Wolfen und dem anhaltinischen Frauenbündnis SAFIR bis zur thüringischen Künstlerkolonie Korrespondenz- Wünsche anmelden – um damit ihren „Wandel zu demonstrieren“ (auf Basis von ABM und sanftem Tourismus). Das Lausitzer Revier wuchert darüber hinaus mit seinen Fürst-Pückler-Anlagen, das sächsische Revier mit einem „Karl May Land“ und das mitteldeutsche mit dem „Gartenreich Dessau-Wörlitz“, das sein Landesfürst Ende des 18. Jahrhunderts bereits über ABM organisierte.

Bad Bitterfeld wurde von Rathenau „geschaffen“. Ich übernachte in dem von einer Ost- Kleinfamilie privatisierten Hotel Central, fahre aber zum Trinken noch ins westprivatisierte Wolfener Hotel Deutsches Haus. Dort sitzt wie üblich ein legerer Leihbeamter aus Nordrhein-Westfalen neben zwei steifen Orwo- Chemikern an der Theke, denen er ausführlich von seinen DDR- Grenzerfahrungen berichtet. Anschließend gibt er eine Runde Goldbrand aus und wird persönlich: „Orwo gehörte doch mal Agfa?“ „Die DDR hat in den fünfziger Jahren den Markennamen Agfa für 22 Millionen – D- Mark – an den Westen verkauft. Jetzt soll ja sogar das Warenzeichen Orwo noch was eingebracht haben!“ Schweigen. Betreten leere ich mein Glas und mache mich auf den „Bitterfelder Weg“ – zurück ins Hotel.

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