■ Höchststrafen im Solinger Mordprozeß: Blamierte Medien
Vom früheren nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Schnoor stammt das Wort, daß die meisten Anschläge gegen Ausländer in Deutschland von jungen Menschen „aus der Mitte der Gesellschaft begangen werden“. Die Täter von Solingen, die gestern vom Düsseldorfer Oberlandesgericht mit einer überzeugenden Begründung zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, sind dafür ein weiterer Beleg. Qua Geburt verfügten die vier gewiß über höchst unterschiedliche Entwicklungschancen – und dennoch landeten alle im rechten, ausländerfeindlichen Sumpf.
Über das Solinger Verbrechen ist in den Medien viel Unsinn verbreitet worden. Nachdem in den ersten Tagen die Boulevardblätter von Vorverurteilungen nur so strotzen, folgte kurz vor Prozeßbeginn eine Welle von Vorfreisprechungen. So verkündete das WDR-Fernsehen schon am 23. 11. 1993 sein Urteil: „Drei der Beschuldigten, das wird immer klarer, waren nicht an der Tat beteiligt.“ Bei all diesen medialen Freisprüchen – und das ist gewiß kein Zufall – waren linke und linksliberale Journalisten am Werk.
Während in rechtsradikalen Flugblättern und Publikationen immer wieder die Opfer denunziert und der ausländerfeindliche Hintergrund der Tat verleugnet wurde, wähnten sich zahlreiche linke Journalisten auf den Spuren eines gigantischen Komplotts der deutschen Ermittlungsbehörden. Dabei ging es nicht mehr darum, berechtigte Zweifel an Ermittlungsergebnissen zu formulieren und bohrende Fragen zur Konsistenz der Anklage zu stellen, sondern die vorliegenden Erkenntnisse und Widersprüche wurden häufig so umgebogen, daß sie dem eigenen Wunschbild entsprachen. So machte zum Beispiel die Behauptung, drei der vier hätten zur Tatzeit gar nicht am Tatort sein können, als unumstößliche Wahrheit bundesweit Karriere, obgleich der behauptete Alibizeuge längst umgefallen war.
Offenbar fällt es vielen Linken im Lande immer noch schwer, der Tatsache ins Auge zu sehen, daß die Terroranschläge gegen Ausländer in der Mehrzahl der Fälle eben nicht von rechtsextremistischen Kommandos verübt werden, sondern von unorganisierten jungen Menschen, die mit der Brandbombe im Kopf lange vor ihrer Tat herumlaufen. Das Düsseldorfer Verfahren hat wie kaum ein Prozeß zuvor gezeigt, daß sich die Frage, wie der tödliche Ausländerhaß in die Köpfe gelangt, einer einfachen Beantwortung entzieht. Was läuft in dieser Gesellschaft, in Familien und Schulen falsch, wenn selbst in humanistisch geprägten Elternhäusern die Bemühungen scheitern, Kinder vor einem Abgleiten in den tödlichen Haß zu bewahren? Wir sind es den Opfern und uns selbst schuldig, dieser Frage ohne jede ideologische Rechthaberei nachzugehen. Walter Jakobs
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