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Hochzeit zwischen Vikarin und MuslimEin Gott und zwei Wege des Glaubens

Eine württembergische Vikarin heiratete ihren muslimischen Freund aus Bangladesh und wurde deswegen gefeuert. Jetzt kämpft sie um einen Platz im Pfarrhaus.

Hat etwas gegen gemischt-religiöse Ehen: Die evangelische Kirche. Bild: birdy's / photocase.com

BERLIN taz | Sie hat ihren Mann am anderen Ende der Welt als Praktikantin der renommierten Grameen-Bank kennen gelernt. Er war Übersetzer, sie lernte die Arbeitsweise der Bank mit Mikrokrediten kennen. Sie war protestantisch, er war muslimisch. In diesem Arbeitsverhältnis spielte die Religion keine Rolle – im privaten Leben war sie eine spirituelle Bereicherung, sagt Carmen Häcker. Ein Gott und zwei Wege des Glaubens.

Die Pfarrerstochter kehrte nach einem Jahr im Ausland zurück in ihre Heimat, zurück nach Württemberg, um ihren Berufswunsch zu erfüllen: Pastorin. Wer ihren Lebenslauf liest dürfte keinen Zweifel haben, dass Häcker eine tief verwurzelte evangelische Christin ist. Sie ist aufgewachsen im Pfarrhaus, Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, München und Kiel und Stipendiatin des Tübinger-Stift. Aber Amors Pfeil, die Aufenthaltsgenehmigung für ihren Freund in Deutschland und das Pfarrerdienstgesetz führten sie in eine verzwickte Lage. Eine sehr, sehr seltene Situation.

Laut dem ihr bekannten Dienstgesetz darf sie keinen Muslim heiraten, wenn sie als Pfarrerin arbeitet. Sie las aber auch den Absatz, der eine Ausnahmeregelung erlaubt und hoffte auf die wohlwollende Auslegung des Oberkirchenrats. Sie sprach von Anfang an offen mit allen, erklärt sie. Das Pfarrhausproblem "gemischt-religiös" sollte kein Geheimnis sein.

Im Württembergischen Personalreferat kam aber von Anfang an die klare Absage. "Mir wurde gesagt, dass man kein Gewissen prüfen kann und somit automatisch die Ausnahmeregelung nicht greift", beschreibt sie das Gespräch. Von offizieller Stelle wird das Gespräch nicht so forsch beschrieben. Sie habe die Problematik angedeutet, heißt es. Der rechtliche Rahmen und die Kriterien für eine Ausnahmereglung seien mir ihr noch einmal besprochen worden.

Ihr Wunsch, mit ihrem Mann an einem Ort, im gleichen Land zu sein kam als Belastung hinzu: Ein deutsches Touristenvisum auf Einladung ihrer Eltern wurde abgelehnt. Über Umwege aus Italien konnte er kommen. "Ich wollte, dass er auch meine Heimat kennen lernt", erklärt Häcker. Neun Monate später war dieses Glück der Zweisamkeit zu Ende – nach eineinhalb Jahren Beziehung. Eine Lösung dieses Problems war die Hochzeit. Die deutschen Behörden spielten auch hier nicht mit – die Unterschrift zum Eheversprechen gab sich das gemischt-religiöse Paar in Dänemark. Außerdem wollte Carmen Häcker Klarheit haben, ob ihre württembergische Kirche eine Ausnahme machen wird.

Entlassung nach der Heirat

Die Antwort bekam sie schwarz auf weiß: So folgte auf die Lösung mit dem Heiratsschein die Entlassung aus dem Vikariat. Mit diesem forschen Vorgehen hatte Häcker aber nicht gerechnet. Probleme bei der Ordination zur Pfarrersfrau hatte sie erwartet – die Ausbildung, dachte sie, könne sie noch beenden. Das Gesetz spreche ja explizit von Pfarrern und in der evangelischen Kirche gebe es noch andere Möglichkeiten, nach einem abgeschlossenen Vikariat zu arbeiten. Der Weg ins Pfarrhaus wäre in anderen Landeskirchen auch noch möglich. Deshalb geht sie den Weg vor das kirchliche Verwaltungsgericht.

Den laufenden Fall will die württembergische Landeskirche nicht kommentieren. Klar ist allerdings, dass eine Diskussion losgetreten wurde. Es gebe "kontroverse Meinungen, ob die Kirche Vorschriften über den Ehepartner eines Pfarrers machen darf", beschreibt Sprecher Oliver Hoesch die Situation. Zur den Vorschriften ergänzt er ebenfalls, dass sich in der Kirche nicht alles über Gesetze und Pflichten regeln ließe: "Deshalb ist die Ausnahmeregelung für den Einzelfall wichtig. Wenn er begründet ist und die Gemeinde und Kirchenleitung einverstanden sind, sind andere Gestaltungswege offen."

Für Häcker gab es die Anordnung aus dem Pfarrhaus auszuziehen. Beim Einreichen ihrer Heiratsurkunde habe sie um eine Ausnahme gebeten, erklärt sie. "Allerdings habe ich noch kein Papier geschrieben, wo oben groß 'Antrag auf eine Ausnahmgenehmigung' steht. Wenn es ein solches bürokratisches Problem ist, bin ich fast erleichtert. Dann kann ich ja noch einen Antrag stellen", sagt sie und lacht.

Am 6. Dezember tagt das württembergische kirchliche Verwaltungsgericht – ein Gremium aus Juristen und Laien aus der Kirche. Auch wenn die württembergische Landeskirche sie nicht mehr haben will, ihren Berufswunsch mag Häcker nicht aufgeben. Falls nötig fängt sie in einer anderen Landeskirche noch einmal von vorne an – nur eins ist sicher: Ihr muslimischer Mann bleibt an ihrer Seite. Und zwar als muslimischer Ehemann.

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14 Kommentare

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  • K
    Katholik

    Die ganze Kausa ist einfach nur skandalös, einer religiösen Gemeinschaft im 21. Jahrhundert unwürdig.

     

    Als Katholik habe ich oft die evangelische Kirche als Institution des aufgeklärten Protestantismus als vorbildlich empfunden, ja beneidet, weil sie eben aufgeklärt, freiheitlich und undogmatisch auftritt und den gesunden Menschenverstand nicht ausschaltet, wenn es um tradierte Vorstellungen und Regeln geht. Hier, dachte ich immer, sei die evangelische Kirche im Gegensatz zur katholischen wirklich in der Moderne angekommen.

     

    Ich habe mich offenbar grundlegend getäuscht und finde den Umgang mit Frau Häcker von kirchenoffizieller Seite unerträglich. Die Regelung und ihre Durchsetzung sind rückwärtsgewand und nicht verträglich mit den freiheitlichen Werten des deutschen Staates, denen sich auch oder gerade eine religiöse Organisation wie eine Landeskirche verpflichtet fühlen sollte. Schließlich fordern wir beispielsweise auch von muslimischen Verbänden in unserem Land, daß sie unsere Werteordnung aktiv mittragen. Mir scheint wir haben noch einige Balken im Auge - um Herrn Luthers Übersetzung von Matthäus und Lukas einmal zu bemühen - um deren Entfernung es sich dringend zu kümmern gilt!

     

    Und was das aus meiner Sicht für die Ökumene bedeutet läßt sich auch schnell zusammenfassen: Christen im arabisch-sprachigen Raum nennen Allah beim selben Namen wie Muslime, und demnach sollte man sich auch hier auf die Gemeinsamkeite, die gemeinsamen Werte der Religionen besinnen, statt dogmatische Unterschiede zum alleinigen Zweck der Abgrenzung ins Feld zu führen.

     

    Wenn ich nun einer Religionsgemeinschaft angehören will, die Menschen aufgrund ihrer Kultur, ihres Geschlechts, oder ihrer Lebenspartner diskriminiert, statt die Grundwerte der universellen Nächstenliebe unter Menschen zu lehren und zu fördern, finde ich alle diese Eigenschaften in der katholischen Kirche alleine schon mehr als ausreichend repräsentiert. (Man verzeih mir den Zynismus.) Von daher können wir Katholiken damit gut auf diesen Einfluß an solch aufgeklärt-protestantischer "Fortschrittlichkeit" verzichten, wie ich finde.

     

    Mit einer Kirche die spaltet möchte und kann man keine Spaltung überwinden. - Sehr schade.

  • K
    Kirchenmitglied

    Natürlich ist es einfach, die Kirche als intolerant und menschenfeindlich zu bezeichnen. Natürlich ist es einfach, Pfarrerinnen und Pfarrern zu sagen: Macht, was Ihr wollt. Wir machen Euch gar keine Vorschriften mehr. (Dann würden sicher diejenigen, die aus der Kirche ausgetreten sind, sofort wieder eintreten, denn die Intoleranz wird ja auch auf dieser Seite als Austrittsgrund genannt). Nur wer in einer Kirchengemeinde aktiv ist, kennt die ganzen Konfliktfelder, die sich dort auftun können. Deshalb wird sie/er nicht denken, dass scheinbar einfache Lösungen immer die richtigen sind.

    Vergessen wird, dass es sich um einen Präzendenzfall handelt, der in der Landessynode diskutiert werden muss. Es geht ja nicht nur um den muslimischen Ehemann von Frau Häcker, sondern um eine ganz grundsätzliche Regelung. Es wäre sicher auch nicht in ihrem Sinne, wenn es zu einer Einzelfallregelung käme. Das hat mit Intoleranz nichts zu tun, jeder Arbeitgeber (z.B. der Staat) müsste genau so vorgehen (Beispiel: Aufhebung der Residenzpflicht für bestimmte Berufsgruppen - ebenfalls eine starke Einschränkung der persönlichen Freiheit).

    Als kosmopolitisch orientierte Frau hätte Frau Häcker das wissen müssen. Es ist nicht richtig, diesen Konflikt über die Medien auszutragen, die ja an strukturellen Fragen nicht interessiert sind. Besser wäre gewesen, diesen Fall vor die Württembergische Landessynode zu bringen und auf eine grundsätzliche Regelung hinzuarbeiten. Sciher hätte Unterstützung aus derzeitigen Kirchengemeinde sehr geholfen.

    Man muss der Kirche zugestehen, dass sie ihre Rolle in der Gesellschaft immer wieder neu suchen muss.

  • D
    diplom_hartzi

    Eine Pfarrerin darf keinen Muslim heiraten, aber eine Osho (Bhagwan)-Frau darf Fasten- und Meditationsleiterin im kath. Kloster werden. Ich bin mehr als enttäuscht von meiner Kirche.

  • T
    tantchen

    Das zeigts mal wieder: im Zweifelsfalls sind die Protestanten schlimmer als die Päpstlichen

  • WB
    Wolfgang Banse

    Es ist nicht alles Kirche

    Die Kirche als Arbeitgeber gilt als der härteste.Als Arbeitnehmer soll man wissen für wessen Herrn man tätig ist.

    In das Privatleben sollte sich der Arbeitgeber,hier die Kirche nicht einmischen.Liebe kann man nicht befehlen und diktieren,dies gilz auch für die Pfarrerschaft. Nicht alles was die Kirchenleitungen monieren,findet Kirchenvolks Zustimmung.

  • M
    matthias

    Ein muslimischer Ehepartner bedeutet nicht automatisch, dass von der angehenden Pastorin eine schlechte Arbeit zu erwarten sei. Entscheidend ist die Frage, ob sich die Vikarin gut auf ihre zukünftige Tätigkeit vorbereitet hat, von ihr also eine gute Gemeindearbeit bzw. landeskirchliche Arbeit erwartet werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage wird die Kirche die absolvierte Ausbildung einschließlich Prüfungen und Noten, den Erfahrungshorizont sowie die Persönlichkeit der Kandidatin zu berücksichtigen haben. Ein sie unterstützender Ehemann wird nur von Vorteil sein.

  • C
    Chesterfield

    Ein Grund mehr aus der Kirche auszutreten.Ich tat das schon vor 45 Jahren,da ich die Intoleranz der Kirche schon damals erkannt habe.

  • N
    noevil

    Im Idealfall dient die Kirche zusammen mit den Menschen Gott. Die angehende evangelische Vikarin und ihr muslimischer Ehemann wollen zusammen ein und demselben Gott dienen - auch in ihrer Ehe. Ich wage zu behaupten, dass Gott sich über jeden Menschen freut, der ihn und die zehn Gebote verehrt und anerkennt - also die schützenden, liebenden und bewahrenden Elemente, die ihn für die Menschheit als Gott definierbar machen.

     

    In dieser Beziehung entsprechen die beiden Menschen - jeder auf seinem Weg, den sie nun gemeinsam gehen wollen - unserem und allen in monotheistischen Religionen Gott definierenden Thesen und unseren zehn Geboten.

     

    Die amtskirchliche Haltung widerspricht unter Hinweis auf das alleinige Wissen um den göttlichen Willen, den zu kennen sie sich selbst attestiert, eben diesem göttlichen Willen und maßt sich eine Deutungshoheit an, die ihr nicht zusteht, weil sie selbst - und nicht Gott - sie geschaffen hat.

     

    Diese starre Haltung zeugt von Angst und - ebenso wie in anderen Religionen - vom unbedingten Willen zum Machterhalt. Die Vertreter dieser Amtskirche vergessen dabei nur eines und das ist maßgeblich für ihre eigene Zukunft: Noch nie hat sich eine Gemeinschaft durch Ausgrenzung erweitert.

     

    Und Gott segnet und richtet nicht nach von Menschen gemachten Regeln. Man kann ihr nur empfehlen, ihre wahre Größe vor Gott zu erkennen - und sich einfach in Bescheidenheit zu üben.

  • TA
    Thomas A.

    Die religiösen Gemeinschaften haben doch generell ihre Schwierigkeiten mit der Achtung der Menschenwürde. Ist sozusagen systembedingt. Und das hier ist nur ein weiteres Beispiel.

  • N
    Nobody

    Das ist nicht einfach. Aber streng genommen ist es auch bei gemischt-konfessionellen oder Ehen mit einem nicht-religiösen Partner nicht einfach. Wird man selber unglaubwürdig, weil man mit jemandem verheiratet ist, der etwas anderes glaubt? Zweifel legen sich nahe, wenn es sich auch noch um eine Berufsperspektive in einem Tendenzbetrieb handelt.

     

    Oder es ist doch einfach: Man steht einfach darüber. Der eigene Glaube, der eigene Beruf - solange hier nichts verwässert oder verleugnet wird, gibt es auch kein reales Problem - wenn man mental mit dieser etwas anders angewendeten Zwei-Reiche-Lehre klar kommt.

     

    Mir wäre es zu anstrengend, lebenslang diese Spannung in einem Kernbereich meiner Existenz aushalten zu müssen. Das ließe sicherlich nach, wenn man seinen Glauben nicht mehr so ernst nähme, aber dann käme die Lösung einer Auflösung gleich.

  • V
    viccy

    Ich habe Verständnis für die Entlassung.

  • FU
    Fass Ungslos

    Es beweist sich immer wieder, Kirche und Toleranz schließen sich oft aus. Das trifft auf alle zu. Bei diesem Fall wundert man sich mal wieder nur.

  • V
    vic

    Keine Religion ist die beste Religion.

  • H
    Hasan

    Kein Cent mehr von meinen Steuern für die Kirche!