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HochschulwettstreitBesuch für die Elite-Jury

50 Millionen winken der Bremer Uni in der Exzellenzinitiative, am Dienstag kam die Jury. Studenten stürmten die Präsentation des Uni-Rektors mit Samba und Konfetti

Exzellenzverdächtig? In einer Experimentierkugel des Bremer Fachbereichs Neuroinformatik. Bild: dpa

Auf der ersten Karte, die Rektor Wilfried Müller am Dienstag der Exzellenz-Jury zeigte, war die Bremer Uni noch ein kleiner roter Punkt. Er stand für die vergleichsweise kleine Zahl der Professoren. Auf der nächsten Karte war der Punkt so weit angeschwollen, dass er fast bis nach Oldenburg reichte - hier symbolisierten die Kreise die Summe der eingeworbenen Drittmittel. "Wir haben hier auf einer Kuhwiese angefangen", sagte Müller in Anspielung darauf, dass die Uni erst 1971 vor den Toren der Stadt eröffnet wurde. Doch "heute gehören wir zu den Kronjuwelen Bremens."

Von der radikalen Reform-Uni zum Wissenschaftsleuchtturm - das war das Bild, das Müller bei der Präsentation für die Exzellenzinitiative, den Hochschulwettbewerb des Bundes und der Länder, zeichnete. Der "Exzellenzbegehung" hatte die Bremer Uni-Leitung allerhöchste Bedeutung beigemessen. 18 Jurorinnen und Juroren, unter ihnen Dekane weltberühmter Universitäten, waren nach Bremen gekommen. Sie entscheiden, welche Universitäten als Elite-Hochschulen künftig besonders gefördert werden. Für die Uni des klammen Bremens könnten bis zu 50 Millionen Euro drin sein.

Im März 2011 war sie mit einem Konzept namens "Ambitioniert und agil" überraschend in die Endrunde des Exzellenzwettbewerbes vorgestoßen. Seither hatte sie sich mit Hochdruck auf den gestrigen Tag vorbereitet. Selbst die turnusgemäße Wahl eines Nachfolgers für den scheidenden Müller war mit größter Eile vorangetrieben worden. Die Jury lud man an einen symbolträchtigen Ort - das neue Marum-Gebäude beherbergt ein Meeresforschunsgzentrum, das in früheren Runden der Exzellenz-Initiative gesiegt hatte.

Doch um 11.32 Uhr musste Müller vorerst schweigen. Eine Gruppe von etwa 50 Studierenden gelang durch eine Hintertür in das Marum-Gebäude. Mit Trommeln, Tröten und Luftschlangen in der Hand platzte ein Teil von ihnen in Müllers Vortrag. Sie riefen Slogans wie "Freie Bildung für freie Menschen" und bewarfen Jury und Dekane mit Konfetti. Die Exzellenzinitiative betreibe eine "Leuchtturmpolitik zu Lasten vermeintlich unrentabler Studiengänge wie Behindertenpädagogik", so ihre Kritik. "Die können dann sehen, wo sie bleiben." Die zwei überraschten Sicherheitsleute riefen die Polizei, erschrocken herausgestürmte Professoren versuchten, die sich vor der Tür drängenden Studierenden zu vertreiben - ohne Erfolg. Argumente wie "Es geht hier um 50 Millionen, gehen Sie weg" oder "Wegen ihrer Aktion verlieren ihre Kommilitonen Studienplätze" verfingen nicht. Auch Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) kam sichtlich aufgebracht heraus. Als die Polizei anrückte, zogen sich die Studierenden zurück.

Müller schilderte derweil die sechs "High Performance Areas" genannten Forschungsschwerpunkte, mit denen die Uni ihr Profil schärfen will. Ob es da nicht zu "Konflikten" mit den Fachbereichen kommen könne, denen womöglich Ressourcen abgezogen würden, fragte ein Jury-Sprecher. Die seien nicht zu erwarten, entgegneten unisono die versammelten Bremer Dekane. Eine win/win-Situation zu schaffen, sei "sehr gut möglich" sagte einer.

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2 Kommentare

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  • O
    oranier

    Schade, das Bild mit den aufgescheuchten Leuchtturmwissenschadftlern hätte ich zu gerne gesehen.

     

    Die Metaphern "Kuhwiese" und "Wissenschaftsleuchtturm" verdeutlichen prägnant die Kontrastierung in den Köpfen derzeitiger Bildungspolitiker. Die Gründung der Bremer Reform-Uni erhält das Prädikat "radikal", um so die damaligen Schwerpunkte: fortschrittliche Lehrer- und Juristenausbildung und vor allem das Konzept der Wissenschaft im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, manifestiert durch eine eigene, mit angemessenen Mitteln ausgestattete Kooperationsstelle zwischen Uni und Arbeiterkammer zu diskreditieren, zugunsten einer einseitigen Orientierung an den Interessen der "Wirtschaft", die es durch Firmenansiedlungen rund um die ehemalige Kuhwiese und durch Bereitstellung von "Drittmitteln" dankt.

     

    "Freie Bildung für freie Menschen"? So war es wohl einmal gedacht.

  • O
    oranier

    Schade, das Bild mit den aufgescheuchten Leuchtturmwissenschadftlern hätte ich zu gerne gesehen.

     

    Die Metaphern "Kuhwiese" und "Wissenschaftsleuchtturm" verdeutlichen prägnant die Kontrastierung in den Köpfen derzeitiger Bildungspolitiker. Die Gründung der Bremer Reform-Uni erhält das Prädikat "radikal", um so die damaligen Schwerpunkte: fortschrittliche Lehrer- und Juristenausbildung und vor allem das Konzept der Wissenschaft im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, manifestiert durch eine eigene, mit angemessenen Mitteln ausgestattete Kooperationsstelle zwischen Uni und Arbeiterkammer zu diskreditieren, zugunsten einer einseitigen Orientierung an den Interessen der "Wirtschaft", die es durch Firmenansiedlungen rund um die ehemalige Kuhwiese und durch Bereitstellung von "Drittmitteln" dankt.

     

    "Freie Bildung für freie Menschen"? So war es wohl einmal gedacht.