piwik no script img

HochschuleWeiter Chaos bei Studienplatzvergabe

18.000 Studienplätze blieben im aktuellen Semester unbesetzt. Opposition will Unis bestrafen und Zulassungsregelungen vereinheitlichen.

Seitdem die Unis ihre Bewerber selbst aussuchen, gibt es Probleme bei der Zulassung. Bild: dpa

BERLIN taz | Nachdem bekannt geworden ist, dass an den deutschen Hochschulen im aktuellen Semester vermutlich 18.000 Studienplätze unbesetzt geblieben sind, verlangt die Opposition von der Bundesregierung, endlich eine zentrale Regelung für das Zulassungsverfahren einzuführen. "Die Politik darf die Studienbewerber im Einschreibechaos nicht länger alleinlassen", monierte Kai Gehring, Hochschulexperte der Grünen, in einem Gespräch mit der taz.

Die Angabe über die unbesetzten Studienplätze steht in einem bisher unveröffentlichten Bericht der Kultusministerkonferenz (KMK) an Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Wie ein Sprecher der KMK der taz bestätigte, diskutierten die zuständigen Amtschefs am Donnerstag in Berlin über das Papier.

Seitdem die Hochschulen ihre Studienbewerber selbst aussuchen, gibt es Probleme bei der Zulassung. Zuvor war die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für die Koordinierung von beliebten Studienfächern verantwortlich. "In der Regel hat bei uns jeder Bewerber einen Studienplatz gekriegt", erklärte ZVS-Pressesprecher Bernhard Scheer.

Ab 2003 übernahmen die Hochschulen nach und nach die Vergabe der ZVS-Fächer, führten wieder die Zulassung nach Abiturnote (NC) ein und verleiteten Interessenten deshalb dazu, sich sicherheitshalber an mehreren Unis zu bewerben. Leider koordinierten sich die Hochschulen nicht ausreichend und kämen mit der Verwaltung nicht hinterher, was am Ende viele Leute den Studienplatz gekostet habe, sagte Scheer.

Die Sprecherin des Bildungsministeriums, Charlotte Cary von Buttlar, verwies derweil auf die Zahlen der vorherigen Semester. So liege die Anzahl frei gebliebener Studienplätze aktuell bei 4,9 Prozent. Frühere Schätzungen von bis zu 20 Prozent frei gebliebener Studienplätze lägen deutlich darüber.

Unter anderem sei der Rückgang auf eine Studienplatzbörse zurückzuführen, auf der nach dem ersten Zulassungsverfahren freigebliebene Studienplätze ausgeschrieben worden sind. Mehrfachbewerbungen hätte diese aber auch nicht verhindern können, sagte Buttlar.

Eine Lösung werde es erst ab dem Wintersemester 2011 geben, wenn eine weitere interaktive Vergabeplattform online gehen soll, an welcher sich alle Universitäten beteiligen sollen.

Gehring forderte die Ministerin Schavan auf, sich nicht so lange vor der Verantwortung zu drücken: "Die KMK-Zahlen zeigen das Scheitern des provisorischen Zulassungsverfahrens." Der Grüne bezeichnete die Onlinebörse gar als "Studienplatztombola" und forderte die Unis auf, lokale NCs abzusenken. Vom Bund verlangte er, notfalls Geld aus dem Hochschulpakt zurückzuverlangen. Es könne schließlich nicht sein, dass die Hochschulen für viel Geld neue Studienplätze schafften, die dann ungenutzt blieben.

Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linken, forderte die Regierung auf, Zulassungskriterien zu vereinheitlichen, NCs abzuschaffen und eine zentrale Vergabestelle à la ZVS einzurichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • SH
    Sebastian Horndasch

    Im Wintersemester 2011/12 dräut ein noch größeres Chaos: Denn das einheitliche Zulassungssystem droht, nicht rechtzeitig fertig zu werden.

     

    Wer die Diskussion zu diesem Thema in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass es sich um ein vermeidbares Problem handelt. Ein entsprechendes System hätte eigentlich bereits mit der Bolognareform auf den Weg gebracht werden müssen - das UCAS aus Großbritannien ist dabei ein gutes Vorbild. Nach der ursprünglichen Planung hätte es ja bereits 2009 oder spätestens 2010 laufen sollen.

     

    Sollte es in diesem Jahr nichts mehr werden, bleibt den Abiturienten nur, individuell rational zu handeln - und das bedeutet Bewerbungen, Bewerbungen, Bewerbungen. Dass sie damit das Chaos noch verschlimmern, liegt auf der Hand.

     

    Ich habe in meinem Blog einen Artikel zu dem Thema geschrieben und gebe daneben Tipps, was man als Betroffener tun kann: http://www.horndasch.net/2011/03/studienplatzvergabe-was-tun-wenns-brennt/

  • T
    Tanja

    Ich hab mit meinen Bewerbungen (es waren nur vier) die Erfahrung gemacht, dass es chaotisch wird selbst wenn sich die Unis in einem Bundesland absprechen und gemeinsame Fristen festlegen. Ich hab trotzdem noch nach der Immatrikulationsfrist der einen Uni die Zulassung von einer anderen bekommen.

    Viel Dank dafür übrigens, das wäre meine Wunschuni gewesen!

     

    @ Leon: Das Problem mit den überfüllten Veranstaltungen ließe sich alternativ auch durch eine angemessene Zahl von Dozenten lösen. Weniger Studenten ist der falsche Weg.

  • ME
    Matias E

    Wer auf seiner Profilseite bei facebook.com für die BILD Zeitung werbung macht, mit Verlaub, den/die kann ich - erst recht bei BILDUNGspolitischen Themen -nicht ernst nehmen.

     

    --> Charlotte Cary von Buttlar:

    http://www.facebook.com/home.php?#!/profile.php?id=530184128&ref=search&sid=1260758819.1591935410..1

  • LA
    Leon A.

    " 'In der Regel hat bei uns jeder Bewerber einen Studienplatz gekriegt '"

    Diese Aussage ist eine glatte Lüge!

     

    Davon abgesehen ist es meiner Meinung nach sinnvoll, dass alle Studienplätze zu vergeben. Damit das auch funktioniert ist eine zentrale Lösung vielleicht nicht schlecht.

     

    Ich selbst studiere Psychologie im ersten Semester. Allerdings sind die angedrohten Sanktionen, die den Unis seitens der Politik angedroht werden falls diese nicht alle Plätze besetzen würden der blanke Hohn. Schon jetzt erlebe ich überfüllte Veranstaltungen und die Uni kann de facto nicht mehr aufnehmen, sollte aber eigntlich noch 25 weitere Studierende in meinem Semester aufgenommen haben. Die Kapazitäten reichen so schon nicht aus und die Politik denkt nicht daran den neuen Hochschulpakt umzuwerfen (durch den die große Studierendenzahl erst gekommen ist), sondern wirft den Unis auch noch vor ihren Pflichten nicht nachzukommen.

    Das Problem liegt in der Politik, nicht an den Unis, denn die machen meiner Meinung nach das Beste aus diesen negativen Rahmenbedingungen.

     

    Generell liegt ein ethischer Konflikt vor, denn auf der einen Seite wollen die Unis gute Lehre anbieten und dafür können sie nun mal nicht beliebig viele Studenten aufnehmen (und auch nicht die Anzahl, die laut Hochschulpakt nötig wäre um weiterhin ausreichend Geld zu bekommen) , andererseits soll auch jeder die Chance haben seinen Traumstudiengang studieren zu dürfen.

    Was noch ginge wäre beliebig viele Studenten aufzunehmen und dann den Großteil rauszuprüfen (wie in Östereich). Dies sorgt aber für einen unerträglichen Konkurrenzkampf, der noch weniger gerechtfertigt ist. Also weiter weniger Leute aufnehmen und die Aufnahmekriterien anpassen....

  • C
    CaliCa

    Kommt mir bloß nicht mit der ZVS wieder...die hat mir meine Studienplatzsuche echt zur Bürokratie-Hölle gemacht. Besser war die auch nicht.

  • DB
    Dorian Butzer

    Es grenzt geradezu an Zynismus, wenn "die Politik" - nach allem, was sie in den letzten Jahren und bis heute NICHT für die Bildung investiert hat und auch in Zukunft nicht investieren möchte - den Unis Strafen androht, falls diese nicht mit dem grötenteils fremdverschuldeten Chaos zurecht kommen.

     

    Es scheint, dass alles unangenehm teure (Umweltschutz, Bildung, Schwimmunterricht) von der Regierung kurzerhand zur "bürgerlichen Privatsache" erklärt wird - und das mit Erfolg: Die Brut ist längst geschlüpft und schwadroniert sinngemäß allerorten davon, dass man dann halt "Wenn halt kein Schwimmbad/Bibliothek/Solardach/... finanzierbar ist liegt die Verantwortung halt bei uns."

     

    So einfach gehts. Herrlich.

  • GE
    Gerhard E.

    Was erwartet Gehring denn von Schavan? Diese Frau hat doch bereits in Baden-Württemberg einen Scherbenhaufen mit dem G8 hinterlassen. Frau Schavan wollte auch gegen den massiven Widerstand von den Eltern Französisch als erste Fremdsprache an Gymnasien entlang der französischen Grenze einführen und ist damit kläglich vor Gericht gescheitert. Wieviel Schaden darf diese Frau eigentlich noch anrichten?

  • M
    msss

    Ach deswegen also habe ich keinen Studienplatz bekommen. Besten Dank auch.