piwik no script img

Hochschule„Ein Rechner, groß wie ein Schrank“

Das Rechenzentrum der Humboldt-Universität wird 50. Leiter Peter Schirmbacher über Riesenmaschinen, den Vorsprung der FU und das einzige Fax-Gerät der Uni.

Mächtiges Teil: Zuses Rechenmaschine "Z3" Bild: dapd
Interview von Anna Bordel

taz: Herr Schirmbacher, das HU-Rechenzentrum feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Wie kann man sich den ersten Computer von 1964 vorstellen?

Peter Schirmbacher: Es gab den ersten Computer im April 1965, den ZRA 1. Dieser Computer war drei Meter breit, zweivierzig hoch – sah also etwa so aus wie ein Kleiderschrank.

Und heute: Was kann man sich unter einem Uni-Rechenzentrum genau vorstellen?

An der HU gibt es 11.000 Rechner. Die sind von Buch bis Dahlem in fast allen Stadtteilen verteilt. Wir brauchen ungefähr 180 Kilometer Kabel, die quer durch Berlin unsere Computer vernetzen. Und damit technisch alles gut funktioniert, dafür ist ein Rechenzentrum da.

Sie leiten das Zentrum bereits seit 1990. Im IT-Zeitalter eine halbe Ewigkeit.

Es gibt Dinge, die ich mir damals nie vorstellen konnte. 1990 hat noch niemand überhaupt daran gedacht, dass es jemals ein drahtloses Netz geben würde. Wir waren froh, überhaupt ein Netz zu haben. Heute ist das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Damals lag die Wende noch nicht weit zurück. Was haben Sie davon im Rechenzentrum gemerkt?

Wir Computerspezialisten hatten richtiges Glück, weil wir eine grüne Wiese bebauen durften. Alles, was es aus DDR-Zeiten gab, war so veraltet, dass man es nach der Wiedervereinigung nicht mehr benutzen konnte. Wir mussten dann alle Dinge, die man eben brauchte, neu kaufen.

Mit der politischen Wende kam auch eine andere große Wende: das Internet.

Es gab Ende der 80er Jahre auch in der DDR Forschung zu der Verbindung von Computern. Aber in der Bundesrepublik war man schon viel weiter. Nach der Wiedervereinigung konnten wir über das Rechenzentrum der Freien Universität (FU) im Juni 1990 eine erste Internetverbindung herstellen.

Was bedeutete das für die Humboldt-Universität?

Das war eine bahnbrechende Neuerung, und dafür sind wir der FU heute noch dankbar. Dadurch wurde das Tor zur Welt auch für die Humboldtianer aufgemacht, was vorher überhaupt nicht vorstellbar war. Charakteristisch für das Technikniveau an der HU zu jener Zeit war zum Beispiel, dass im Sekretariat des Rechenzentrums das einzige Fax-Gerät der ganzen Uni stand.

Wie schafft man es, technisch immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben – und nach Möglichkeit vielleicht noch einen Schritt voraus zu sein?

Eine unserer Maximen ist, wenn man Dienstleistung für die Forschung anbieten will, dann muss man selbst forschen. Zum Beispiel haben wir eine Methode in Umlauf gebracht, um digitale Objekte zu sammeln, etwa ein Lautarchiv von Tierstimmen oder kunsthistorische Bilder.

Was ist, wenn mal etwas schiefläuft und das System abstürzt?

Das darf nicht passieren. Wir haben viele Server an vielen unterschiedlichen Standorten. Außerdem gibt es mehrere Speicherroboter, die jede Nacht die Daten der wissenschaftlichen Forschung an verschiedenen Standorten speichern, damit es bei einem Negativfall nicht zu dramatisch wird.

Ist schon mal etwas schiefgelaufen?

An unserem Standort in Adlershof ist schon mal der Strom für eine Dreiviertelstunde ausgefallen. Danach mussten wir Server runterfahren, sodass die Webseiten der Uni für mehrere Stunden nicht online waren.

Was tun Sie im Rechenzentrum, um den Stromverbrauch möglichst gering zu halten?

Heute kann man virtuelle Maschinen installieren. Man kauft einen Rechner und simuliert darauf zehn andere. Das ist aber immer eine Kompromisslösung. Wenn jemand Hochleistungsrechner will, dann können wir ihm keine kleine Kiste geben, nur damit wir Strom sparen.

Oft beschweren sich Studierende und auch Lehrende darüber, dass die Software für Kursanmeldungen kompliziert sind oder erst gar nicht funktionieren. Wieso ist das so?

Erfreulicherweise hält sich diese Art von Beschwerden an der HU in Grenzen. Wenn so ein komplexes System unterwegs ist, dann kann immer mal was schiefgehen. Das liegt aber meistens daran, dass man es falsch bedient.

Wie schauen der Wissenschaftler Peter Schirmbacher und der Leiter einer Hochschulinstitution Peter Schirmbacher in die Zukunft des HU-Rechenzentrums?

Als Wissenschaftler ist es mein Ziel, neue Dinge zu ergründen. Als Servicedienstleistender möchte ich diese neuen Erkenntnisse zu neuen Angeboten für die Mitglieder der Universität entwickeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!