■ Historische Mitte: Piefige Freunde
Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) muß derzeit Prügel von allen Seiten einstecken. Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer beispielsweise fährt ihm mit dem Palast der Republik in die Parade. Die Planungen seiner Verwaltung für die Spreeinsel seien realitätsfern, schilt die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Zukunft der Stadtgestalt hänge in der Luft, meckert der Koalitionspartner. Nun lassen gar die eigenen Parteifreunde den Knüppel aus dem Sack. Von der Fraktion und selbst im Landtag wurde der Senator kräftig zurückgepfiffen ob seiner planerischen Visionen rund um die Spreeinsel. So drängen die Schloßfans zum Beispiel darauf, den Wettbewerbsentwurf von Bernd Niebuhr nachträglich mit einer barocken Fassade zu dekorieren. Darüber hinaus fordert die Fraktion, daß der Lustgarten und das Alte Museum nicht durch einen Pavillon von der Straße Unter den Linden (!) abgetrennt werden dürften, wie jüngst durch einen Bauwettbewerb vorgeschlagen. Schließlich sollen die einstigen Bezüge zwischen Dom, Altem Museum, Zeughaus und Schinkelscher Bauakademie wiederhergestellt werden. Nicht nur der frühere Stadtgrundriß soll abgepaust werden. Dem neuen Berlin droht die historische Kolorierung. Mit offenem Abriß-Visier will man dem „totalitären Geist der Erbauer des sozialistischen Städtebaus“ (Uwe Lehmann- Brauns) entgegengaloppieren. Daß es nun im eigenen Gebälk kracht, liegt zum einen daran, daß die kritisierten städtebaulichen Entwürfe Ergebnisse der Konzeptionslosigkeit des Senators sind: Es geht also die Angst unter den Parteifreunden um. Zum anderen hat es Hassemer versäumt, das „Stadtforum“ zu einem Instrument politischer Vorgaben werden zu lassen. Es gleicht heute jener wirkungslosen „Quatschbude“, zu der sie nicht hätte werden müssen: Die eigenen Hunde sind so nicht an die Kette zu legen. Daß sie nun piefig und reaktionär bellen, isoliert den Senator. Den Traditionalisten ist er zu modern, den Modernen zu ängstlich. Hassemer wollte Tiger reiten. Im Augenblick reiten alle ihn. Rolf Lautenschläger
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