Historiker zu Dresden-Bombardement: Gegen die rechte Legendenbildung
Historikerkommission legt Abschlussbericht zu Opferzahlen und kursierenden Spekulationen vor. Es bleibt dabei: Bei Alliiertenangriffen 1945 starben höchstens 25.000 Menschen.
DRESDEN taz | Bei den Luftangriffen der Alliierten auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 sind höchstens 25.000 Menschen ums Leben gekommen. Auch in ihrem am Mittwoch vorgestellten Abschlussbericht kommt eine Historikerkommission zu keinen wesentlich anderen Schlüssen als den bereits auf dem Historikertag 2008 gezogenen. Der Kommissionsvorsitzende Rolf-Dieter Müller vom Forschungsamt der Bundeswehr verneinte auch gezielte Tieffliegerangriffe. Luftkämpfe seien als solche interpretiert worden.
Angesichts des Gedenktag-Missbrauchs vor allem durch Neonazis und wegen der fortschreitenden Legendenbildung hatte der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg 2004 eine unabhängige Kommission mit der Aufarbeitung des Dresden-Bombardements beauftragt. Der Stadtrat bewilligte für die aufwändigen Forschungen ein Budget von 100.000 Euro. Es gehe nicht um die Beendigung einer Debatte, sondern darum, "wissenschaftliche Argumente gegen eine bewusste politische Instrumentalisierung der Opferzahlen zu erhalten", sagte Kulturbürgermeister Ralf Lunau am Mittwoch.
Von etwa 25.000 Todesopfern gingen zunächst auch Polizei und Stadtverwaltung im März 1945 aus. Erst das Auswärtige Amt wies seinerzeit die Gesandtschaften an, zu Propagandazwecken eine Zahl von 200.000 Toten zu verbreiten. In der DDR-Zeit war stets von 35.000 Bombenopfern die Rede. Nationalisten agitieren heute mit Opferzahlen bis zu einer halben Million.
Anders als oft behauptet sei die Bergung und Bestattung der Toten relativ geordnet verlaufen, erklärte Müller. Deshalb könne sich eine Dunkelziffer nicht in fünfstelligen Größenordnungen bewegen. Das gelte auch für Flüchtlinge, Zwangsarbeiter und Soldaten in der Stadt. In akribischer Arbeit hat die Kommission rund 60.000 Einzelangaben gesammelt und dafür bundesweit in Archiven recherchiert. Hinzu kamen Berichte von 1.600 Zeitzeugen. Schriftlich sind etwa 20.000 Opfer nachgewiesen. Die Ergebnisse und eine interaktive Karte sind auf der Internetseite der Dresdner Stadtverwaltung für jedermann einsehbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen