Historiker-Eklat in München: Israelkritiker ausgeladen
Der Israeli Ilan Pappe kritisiert seit Jahren öffentlich sein Heimatland. In München verbot die Stadt nun kurzfristig einen Vortrag Pappes in ihren Räumen - offiziell aus Sicherheitsgründen.
BERLIN taz Aus einem Vortrag wurde ein mittelschwerer Eklat. Die Münchner Stadtverwaltung ließ den israelischen Historiker Ilan Pappe nicht in städtischen Räumen auftreten. Die Stadtrats-Grünen fordern nun Aufklärung. Sie sprechen von einem "Akt der politischen Feigheit".
Schon vor Wochen hatte der "Salam Shalom - Arbeitskreis Palästina/Israel" Räume im Pädagogischen Institut der Stadt München gebucht. Der Stargast: Ilan Pappe, Autor des Buchs "Die ethnische Säuberung Palästinas". Darin schreibt der Israeli, die Gründung des Staates Israel sei erst durch die systematische Vertreibung der Palästinenser möglich geworden. Pappes Thesen werden kontrovers diskutiert, doch als Historiker ist er wissenschaftlich anerkannt. Eigentlich ist ein Auftritt von ihm nichts Skandalöses.
Dennoch zog das zuständige Schulreferat die Genehmigung am Morgen vor dem geplanten Auftritt zurück. So sprach Pappe am vergangenen Wochenende in den eilig organisierten Räumen eines Bildungsvereins. Es kamen über 100 Zuhörer.
"Wir sollten torpediert werden", meint Eckhard Lenner, einer der Organisatoren. "Wir haben kurzfristig Hinweise bekommen, dass es Proteste und Störungen geben könnte", sagt die Sprecherin des Schulreferats. Von wem diese Störungen hätten kommen sollen, sagt sie nicht.
In der Nacht auf Donnerstag, einen Tag vor der eiligen Absage, forderte der stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft München, Stefan Stautner, Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und die Stadträte auf, die Vergabe der Räume zu überprüfen. Die Wissenschaftlichkeit Pappes sei zu bezweifeln. Der veranstaltende Arbeitskreis fühle sich "von einer Israel-Lobby verfolgt", der Vortrag sei "eine antiisraelische Propagandaveranstaltung".
Organisator Lenner meint: "Die Immunität, die Israel beim Establishment genießt, ist unerträglich." Hinter der Absage stünde die "Einflussnahme einer Lobbygruppe, die über sehr einflussreiche Kontakte verfügt". Die Veranstalter glauben, den Ausschlag habe ein Anruf der Israelitischen Kultusgemeinde beim Oberbürgermeister gegeben. Ude hat das inzwischen dementiert. Die Sprecherin des Schulreferats erklärt, die Entscheidung habe allein ihr Amt getroffen: "Mit der Absage ist kein Urteil über den Inhalt der Veranstaltung verbunden." Über die wahren Gründe muss das Schulreferat nach einer Anfrage der Grünen nun den Stadtrat informieren. BERNHARD HÜBNER
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