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Hirntote als Organspender

Bundestag debattiert heute über zwei konträre Gesetzesvorlagen zur Transplantation  ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – „Wir brauchen jetzt endlich Rechtssicherheit für die Transplantationsmedizin.“ Seit fast zwanzig Jahren wird diese Forderung von Medizinern und Betroffenen immer wieder an die Politiker herangetragen. Nach mehreren erfolglosen Anläufen, ein Transplantationsgesetz auf die Beine zu stellen, wird heute der Bundestag in erster Lesung gleich über zwei Gesetzesvorschläge debattieren. Bündnis 90/Die Grünen hatten ihre Vorstellungen bereits Ende letzten Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt.

Jetzt hat auch Gesundheitsminister Horst Seehofer den von ihm seit langem angekündigten gemeinsamen Gesetzentwurf von Regierungskoalition und SPD vorgelegt.

Schon im Vorfeld zu den Beratungen wird deutlich, daß von einer Einigung zwischen den Koalitionsparteien und der SPD keine Rede sein kann. Die besonders strittigen Punkte, die Gleichsetzung von „Hirntod“ mit dem Tod des Menschen und die Ausgestaltung der Zustimmung zur Organentnahme, sind ausgespart geblieben.

Gemeinsamer Nenner quer durch alle Fraktionen ist lediglich, daß eine Organentnahme grundsätzlich dann erlaubt ist, wenn der Spender zu Lebzeiten seine Zustimmung schriftlich hinterlegt hat. Seehofer, gemeinsam mit einigen Abgeordneten, unter anderem auch Rudolf Dreßler und Klaus Kirschner aus den Reihen der SPD, plädieren in einem Entschließungsantrag für die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung. Danach sollen die Angehörigen im Sinne des Spenders entscheiden können, wenn dieser zu Lebzeiten weder widersprochen noch eine Einwilligung abgegeben hat. „Dem nächsten Angehörigen soll ein volljährige Person gleichstehen, die dem Verstorbenen in besonders persönlicher und sittlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden hat“, heißt es in ihrem Antrag.

Sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch eine Gruppe von über 90 Abgeordneten unter Führung der SPD-Parlamentarier Wolfgang Wordag und Herta Däubler-Gmelin fordern dagegen die enge Zustimmungslösung. Nur der betroffene Spender selbst kann der Organentnahme zustimmen. Liegt keine Einwilligung vor, ist den Transplantationsmedizinern der Zugriff verwehrt. Die autonome Entscheidung der Betroffenen hat oberste Priorität. Nur eine Ausnahme von dieser Regelung haben die Grünen in ihrem Gesetzentwurf festgeschrieben – obwohl ihnen dabei auch nicht ganz wohl ist, wie die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Monika Knoche, meinte (siehe Interview). In Abkehr von dem Autonomieprinzip soll bei Kleinkindern, die ihren Willen noch nicht kundtun können, die Eltern eine Entscheidung treffen können. Die Organspende bei Kindern wird auch in dem Gruppenantrag der SPD-Parlamentarier als „problematischer Ausnahmefall“ bezeichnet. Sie halten es für „nicht zumutbar“ den Eltern eine derartige Entscheidung abzuverlangen, haben aber auch keine Lösung anzubieten. Dieser Punkt soll nach Mitteilung von Knoche später noch einmal in einer Expertenanhörung erörtert werden.

Auch bei der Feststellung des Todeszeitpunktes wird die Zerrissenheit der SPD deutlich. Der Seehofer-Antrag verteidigt die bisher praktizierte, aber in der Öffentlichkeit und bei immer mehr Medizinern umstrittene Todesdefinition, nach der der Ausfall aller Hirnfunktionen als Todeszeitpunkt gilt. Dies lehnen Teile der SPD strikt ab. In Übereinstimmung mit den Grünen wollen sie in dem Transplantationsgesetz keine Definition für den Todeszeitpunkt festschreiben. Der Ausfall aller Hirnfunktionen soll zwar als Voraussetzung für eine Organentnahme gelten, aber der Hirntod könne nicht gleichgesetzt werden mit dem Tod des Menschen. Es handele sich um noch lebende Menschen, bei denen der Sterbeprozeß „unumkehrbar geworden ist und der Tod unmittelbar bevorsteht“.

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