HipHop-Album von Neonschwarz: Da geht noch was
Das Debüt „Fliegende Fische“ der Band Neonschwarz ist ein feines Beispiel für „politisch motivierten“ HipHop. Solide Partytracks findet man auch.
![](https://taz.de/picture/90789/14/Neonschwarz_Promo0034.jpg)
Fans von HipHop in Deutschland können aufatmen. Die Zeiten, da Zeckenrap wie ein musikalisch untermaltes Referat im Autonomen Jugendzentrum anmutete und danach klang, als hätten die Fantastischen Vier einen Lesekreis gegründet, sind vorbei. Sound und Politik haben in unterschiedlichen Varianten und Schnittmengen zusammengefunden. Vor allem dank der unaufhörlichen Talentförderung des umtriebigen Hamburger Labels Audiolith ist inzwischen eine „politisch motivierte“ Form von HipHop mit deutschen Texten entstanden, die sich hören lassen kann.
Ein Beispiel hierfür ist die Hamburger Band Neonschwarz, das Projekt von Marie Curry, Johnny Mauser, Captain Gips und DJ Spion Y, in dieser Besetzung seit 2012 aktiv. Mit „Fliegende Fische“ erscheint nun ihr Debütalbum, das Songs mit politischen Themen gleichberechtigt neben Partytracks stellt. Neonschwarz zeigen, gute Laune und antifaschistische Gegenwartspolitik müssen sich nicht ausschließen.
Im Song „2014“ geht es um rechte Stimmungsmache gegen die Flüchtlingsheime in Hellersdorf und Schneeberg. Die Band thematisiert rassistische Hetze und erinnert an Dunkeldeutschland in den dumpfen neunziger Jahren, siehe Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen: „Guck hin und verfolg die Vervielfachung / Erschreckender Erfolg rassistischer Mobilmachung“. Es ist die deutlichste Ansage auf „Fliegende Fische“, aber darin erschöpfen sich die Themen des Albums keineswegs.
In „Unser Haus“ blicken Neonschwarz selbstkritisch auf ihre eigene prekäre Existenz: „Was kann ich dafür, dass es so ist, wie es ist / Kann nur versuchen, dass es morgen nicht mehr so ist, wie es ist.“ In dem Song „Scheinriese“ verhandeln sie Angst und Resignation, aber geben diesem Gefühl der Aussichtslosigkeit mit der musikalischen Stimmung ein Gegengewicht.
Neonschwarz: „Fliegende Fische“ (Audiolith/ Indigo).
Überhaupt klingen sie sehr optimistisch: Im titelgebenden „Fliegende Fische“ heißt es etwa: „Zwischen den Flügeln ist massig Platz zum Weiterspinnen / Alle Kiemen voll Utopien / wir suchen weiterhin“. So gelingt es Neonschwarz, eine Balance zu finden zwischen Aufbruchstimmung und Laid-Back, zwischen Genuss und Reflexion.
Der Sound dazu klingt wie aus einem Guss. Was an den durchgehend liebevoll gestalteten Beats von DJ Spion Y liegt, aber auch maßgeblich an den markanten, meist von Marie Curry getragenen gerappten und gesungenen Hooks. Für Liebhaber von Hamburger HipHop älterer Bauart finden sich zudem Samples und textliche Referenzen an Absolute Beginner, Ferris MC oder Dendemann.
Ob sich Neonschwarz schon mit solchen Größen messen sollten, sei dahingestellt. Nichtsdestotrotz ist „Fliegende Fische“ ein Debütalbum, das aufhorchen lässt. Denn mögen die darin angesprochenen Verhältnisse nun wirklich so schlecht sein, deshalb muss es doch HipHop noch lange nicht sein. Neonschwarz zeigen mit „Fliegende Fische“, dass da noch was geht.
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