: Hin und weg
Mit „Fade Away“ macht Philippe Parreno im Münchner Kunstverein eine Ausstellung über das Verschwinden
Grüne Lichterschlangen weisen den Weg zu einem dunklen Raum mit grün leuchtenden Bildern. Das größte Bild hat Format genug für einen Wal. Ihn vermeint man zu sehen, einen gestrandeten Wal, der zum Überfluss mit der Aufschrift „Reality Park“ versehen ist.
Nun ist es aber gar kein Wal – eine Verwechslung, passiert bei schlechter Sicht –, sondern ein dicker Felsen, ein südafrikanischer, und schon ist ein Wal verschwunden. Tschüss Wal. Bleiben die Wörter „Reality Park“. Philippe Parreno, 1964 in Oran geboren, bemerkt zu diesem Bild in seiner aktuellen Ausstellung „Fade Away“ im Münchner Kunstverein lakonisch: „Im Herbst 2003 stellte ich den Eingangsbereich des Reality Parks in Boulders Beach, Süd Afrika, her.“
Parreno, der heute in Paris lebt und arbeitet, lässt es sich in seinen Installationen immer angelegen sein, die üblichen Modelle und Vorstellungen von Ausstellung, Autorenschaft und Erzählung zu hinterfragen. Dazu kollaborierte er gerne mit Künstlerkollegen wie Pierre Huyghe, Domonique Gonzales-Foerster oder Carsten Höller. Nachdem er zuletzt Robert Rauschenbergs monochrome Bilder von 1951 in seine Arbeit einbezog, ist es nun sein eigenes Werk, mit dem er die Zusammenarbeit sucht. Denn nur eigene Projekte haben auf den Blättern ihren fluoreszierenden Niederschlag: ein nachgespieltes Fußballspiel, eine postapokalyptische Rede zugunsten eines Zustands der Fiktion, die Vergrößerung eines gefaxten Echtheitszertifikats – genannt „Sci-Fi-Kunstwerk“ – und Plakate eines Vergnügungsparks.
Bei allem geht es um das, was man gemeinhin als Fiktion und Realität unterscheidet, weshalb ihr Zusammentreffen so aufregend werden kann. Dann aber geht das Licht an, begleitet vom spektakulären Geklicker der Lampen – und man sieht sehr wenig. Als es wieder dunkel ist, sieht man viel. Ein Wahrnehmungsparadox, das auch durch Erwartung entsteht, also dem, was man gern sehen möchte.
Wenn man möchte, kann man im Hellen minimalistische Kunst erkennen: weiße Papierblätter mit minimalen gelben Flecken, weiße Wände, einen Fußboden mit einem grauen Teppich. Im Dunkeln schimmern Parrenos frisch mit Licht aufgeladene Bilder und thematisieren dabei das Gedächtnis und das Vergessen und Verschwinden.
Gedächtnis 1: die Dokumentation vergangener Ereignisse. Die von Parreno angeregten Ereignisse lassen sich zur zeitlich und räumlich begrenzten Konzept- und Perfomancekunst zählen. Die nun ausgestellten Bilder zu diesen Ereignissen sind Dokumente. Im Umkehrschluss hätte ihre grüne Farbe keine andere Funktion, als sie aufregender aussehen zu lassen als andere künstlerische Dokumente. Ihr grünes Schimmern erinnert außerdem an Fotos von Thomas Ruff, die inspiriert waren von der Farbigkeit militärischer Nachtsichtgeräte. Es erinnert an Glühwürmchen, an Tiefseefische, an einen Wecker in der Nacht.
Gedächtnis 2: sich an etwas erinnern. Bei Parrenos Bildern handelt es sich vor allem um die Erinnerung des Künstlers, als desjenigen, der an allen dokumentierten Ereignissen beteiligt war. Es ist also mehr eine individuelle als eine kollektive Erinnerung. Der Bezugspunkt scheint deshalb das Verschwinden seiner künstlerischen Werke zu sein. Dadurch entsteht der Eindruck einer Retrospektive, in der der Künstler über das Verschwinden seiner Werke reflektiert. Was er zugleich als Strategie des Nichtverschwindens etablieren kann.
Gedächtnis 3: das Gedächtnis an sich. Informationen, die aufbewahrt, unscharf werden, die verschwinden und nach einer kleinen Anregung wieder auftauchen. Das Gedächtnis als chemisch-physikalischer Prozess. Und die fluoreszierende Farbe eine klug bedachte Metapher dafür. HEIKE ENDTER
Bis 29. Februar