Hillary Clinton auf Strategiesuche: Die Gefühlsfalle
Glücklicherweise lassen sich die Wähler weniger von Geschlechterklischees leiten als viele Medien.
Kann eine Frau in der Politik etwas richtig machen? Natürlich, aber einfach ist es nicht. Ist sie fachlich qualifiziert, eisern in der Argumentation, selbstbewusst im Auftreten, gilt sie schnell als hart und humorlos. Trägt sie gar noch Hosenanzüge, gilt sie als Frau, die die Männer in ihrer Männlichkeit übertrumpfen will und keine Alternativen zum männlichen Führungsstil anbietet. Gibt sie sich in Argumentation und Tonlage weich, im Outfit "weiblich" - und zeigt auch noch Gefühle -, dann kokettiert sie mit ihrer Weiblichkeit und scheint schon deswegen für Führungsaufgaben ungeeignet.
Hillary Clinton ist die Inkarnation dieses Dilemmas von Frauen in der Politik. Dazu kommt das Handicap, jahrelang eine unpopuläre First Lady gewesen zu sein, deren Sympathiewerte in den erzkonservativen USA erst durch die sexuellen Eskapaden ihres Ehemanns Bill anstiegen. Nur die gedemütigte Hillary errang den Senatorensitz in New York. Ausgestattet mit dem größten Werbebudget, das ein Präsidentschaftskandidat je aufbrachte, führte sie ihren Wahlkampf bis jetzt vor allem mit den Argumenten der fachlichen Qualifikation und politischen Erfahrung. Ihre Parteidisziplin trug ihr allerdings auch den schwersten politischen Fehler ihrer Karriere ein. Sie unterstützte den "patriotischen" Kurs der Demokraten und votierte für den Irakkrieg. Die beginnende Antikriegsstimmung kommt heute Barack Obama zugute.
Nach jahrelangem Herumdoktern an Frisur und Outfit fanden die Medien offenbar auch an ihrem Äußeren nichts mehr auszusetzen. Es blieben nur mehr die klassischen Argumente "kalt, berechnend, selbstgerecht, ja fanatisch". Ihre Wahlkampfberater hatten ganz auf die Strategie der "toughen Powerfrau" gesetzt - bis Barack Obama nicht nur seine Minderheitensituation als Afroamerikaner und seine Distanz zu den wirtschaftlichen Lobbys, sondern auch sein intaktes Familienleben ins Spiel brachte. Hillary Clinton musste ihre Strategie wechseln: Nicht nur ihr Mann erschien immer öfter auf ihren Wahlkampfauftritten, auch die Tochter Chelsea wurde präsentiert. Mehr noch als diese neu inszenierte Familienwelt beschäftigen die Medien derzeit jedoch Clintons Gefühlsausbrüche. Dass sie nach der Niederlage in Iowa nahe den Tränen war, wurde mit Häme vermerkt. "Hillary hat in unheimlich narzisstischer Weise um uns geweint.Typisch für sie, dass die Aussicht der Niederlage zu ihrem Zusammenbruch führte", ätzt etwa die New York Times von gestern.
Auch solche Kommentare zeigen, mit welchen subkutanen Rollenklischees viele Medien immer noch die Welt der Politik attackieren. Gefühle, gezeigt von Männern, zeugen von Souveränität, Gefühle, gezeigt von Frauen, sind ein Beweis von Schwäche. Gleichzeitig stempelt ein emotional kontrolliertes Auftreten sie als machtgierig, mindestens als unsympathisch ab. Eine Frau, die nach einer Wahlniederlage mit Tränen kämpft, ist für Führungsaufgaben ungeeignet; ein Mann, der auf Staatsreisen turtelt, ist ein Publikumsliebling.
Dass die medialen Klischees nicht den Vorstellungen und Bedürfnissen der Wähler entsprechen, haben die Wahlen in New Hampshire wieder einmal bewiesen. Weiblichkeit und Führungsqualitäten schließen einander offenkundig doch nicht so aus, wie es viele der US-Mainstream-Medien suggerieren.
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