piwik no script img

Hilfswerke berichten aus AfghanistanGewalt auf höchstem Niveau seit 2001

Internationale Hilfswerke in Afghanistan melden in diesem Jahr bisher 2.500 Tote, darunter 1.000 Zivilisten. Die Terrorkampagne der Taliban weitet sich aus.

Nach einem Anschlag Mitte Juli in Kandahar, bei dem vier Menschen ums Leben kamen, hält ein afghanischer Polizist Wache. Bild: AP

KABUL rtr/taz Die Gewalt in Afghanistan hat nach Angaben von Hilfsorganisationen das größte Ausmaß seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 angenommen. Allein im Juli seien mehr als 260 Zivilisten getötet worden, teilte ein Zusammenschluss von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen am gestrigen Freitag mit. Das seien mehr als in jedem anderen Monat in den vergangenen sechs Jahren.

Nach Angaben des Netzwerks Acbar (Agency Coordinating Body for Afghan Relief) kamen in diesem Jahr insgesamt bisher etwa 2.500 Menschen bei Kämpfen und Anschlägen um. Unter ihnen waren 1.000 Zivilisten. Zwei Drittel der Zivilisten seien bei Angriffen der Taliban ums Leben gekommen, "insbesondere bei Selbstmordattentaten und anderen wahllosen Angriffen auf zivile Gebiete sowie unter Nutzung von Privateigentum als Ausgangsort von Angriffen". Die Zahl solcher Angriffen habe innerhalb der letzten 12 Monate um ca, 50 Prozent zugenommen, auf 463 im Mai und 569 im Juni. Sie hätten sich auf bisher sichere Landesteile wie die Hauptstadt Kabul ausgeweitet. Die Extremisten hätten im Süden und Osten des Landes "eine immer entschlossenere, systematische Terrorkampagne mit Drohungen, Entführungen und Ermordung von Zivilisten" eingeleitet.

Die verschlechterte Sicherheitslage habe besorgniserregende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Die Organisationen seien wegen des Eskalation der Gewalt gezwungen, ihre Arbeit einzuschränken. 19 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien in diesem Jahr bereits bei Angriffen getötet worden - mehr als im gesamten Jahr 2007.

Auch die Luftangriffe der ausländischen Truppen trügen zunehmend zum Tod von Zivilisten bei, kritisierten die Hilfsorganisationen. "Durchsuchungen durch afghanische und internationale Kräfte haben zuweilen den übermäßigen Einsatz von Gewalt, extralegale Tötungen, Zerstörungen von Eigentum und/oder Misshandlung von Verdächtigen beinhaltet", hieß es. Alle Konfliktparteien seien aufgefordert, die Zivilbevölkerung zu schonen. In Afghanistan stehen derzeit etwa 71.000 internationale Soldaten, 10.000 mehr als vor einem Jahr.

Nach Darstellung von Nato-Kommandeuren haben die Gewaltakte im Osten Afghanistans seit dem Frühjahr um 40 Prozent zugenommen. Das sei zum einen darauf zurückzuführen, dass mehr Nato-Truppen in der Region patrouillierten, zum anderen sickerten immer mehr Extremisten aus Pakistan ein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • M
    martinibe

    Unten breitet sich die Gewalt in den schon klassisch-militärisch gewordenen Formen der Guerilla-Taktik aus, und wir schweben mit einer zunehmenden Anzahl Düsenjägern darüber. Wie die Amerikaner in Vietnam, wie die Russen ebenfalls schon in Afghanistan. Und alle diese Kriege wurden verloren oder mussten aufgegeben werden. Diweil wir riesige Spenden an ein nur formal bestehendes Afghanistan tätigen, die dort von den faktisch regierenden Kriegsfürsten zu ihren Zwecken abgezweigt werden.