Hilfspolizei gegen Tauschbörsen: Provider sollen Leitung kappen
In Japan und den USA scheint es Medienkonzeren zu gelingen, Online-Anbieter zu Hilfspolizisten zu machen. Aber auch hierzulande will man Tauschbörsenutzern den Netzzugang sperren.
BERLIN taz Im Kampf gegen die Internet-Piraterie wollen die Medienkonzerne eine zweite Front eröffnen. Werden derzeit vor allem einzelne Nutzer weltweit mit Klagen überzogen, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass sie illegal urheberrechtlich geschützte Filme und Musikstücke im Netz getauscht haben, sollen künftig die Internet-Provider als so genannte "Content-Cops" dabei helfen, den zunehmenden Inhalteklau zu stoppen. Die Idee: Werden User bei der exzessiven Nutzung von Tauschbörsen ertappt (die Medienindustrie beschäftigt längst Firmen, die regelmäßig nach solchen Personen suchen), soll ihnen der Provider zunächst einen blauen Brief schicken, dieses Verhalten zu unterlassen. Reagieren sie nicht und setzen ihr Filesharing-Hobby munter fort, wird ihnen der Zugang gesperrt - neben eventuellen zivil- und strafrechtlichen Schritten.
Nachdem sich in Frankreich die Staatsführung unter Präsident Nicolas Sarkozy für eine Einführung dieser Pläne ausgesprochen hat und in Großbritannien ähnliche Vorschläge diskutiert werden, gewinnen die Medienkonzerne auch in anderen Regionen der Erde die Herzen erster Internet-Anbieter. Nach einem Bericht der japanischen Zeitung "Daily Yomiuri" haben sich die vier größten Providerverbände des Landes bereit erklärt, Nutzern des in dem Land populären Tauschdienstes "Winny" den Zugang zu sperren. Dies hatten einzelne Online-Anbieter vor einigen Jahren bereits erwogen, wurden damals aber von der zuständigen Telekomregulierungsbehörde zurückgepfiffen, weil die Privatsphäre der Nutzer missachtet würde. Inzwischen scheinen diese Probleme ausgeräumt: Laut dem Zeitungsbericht ist bereits im April die Einsetzung einer Kommission geplant, die eine Sperrung umsetzen soll. Sie würde 1,7 Millionen regelmäßige User von "Winny" verwendet.
Auch in Deutschland gibt es Begehrlichkeiten, Provider zu Hilfspolizisten zu machen. Der Bundesverband Musikindustrie beobachtet die Entwicklungen in anderen Ländern genau. Auf einer Pressekonferenz in Berlin hieß es in der vergangenen Woche, die Online-Anbieter müssten helfen, das Problem der Piraterie in den Griff zu bekommen. Das reiche vom Versenden von Mahnschreiben bis hin zum Abklemmen der Verbindung. Noch weist der Providerverband eco e.V. solche Ideen allerdings zurück: Vorstand Oliver Süme sagte gegenüber "Spiegel Online", Provider seien "keine Internetkontrolleure". Sie könnten also auch nicht entscheiden, welche Daten den Nutzer vorenthalten werden dürften.
In den USA gibt es unterdessen erste Verhandlungen zwischen dem Hollywood-Lobbyverband MPAA und dem Großprovider AT&T. Letzterer ist sehr an guten Beziehungen zu den Medienkonzernen interessiert, weil er über ein eigenes "IPTV"-Angebot aktuelle Fernsehshows und Kinofilme vertreiben möchte. Statt einer Abschaltung einzelner renitenter Kunden wird hier gar erwogen, alle durch AT&T-Netze fließenden Daten auf Urheberrechtsverstöße zu filtern und gegebenenfalls zu blockieren. Die Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) nannte die Pläne eine "enorm schlechte Idee". "Wenn wir aus den Providern die Copyright-Polizei des Internet machen, begeben wir uns schnell aufs Glatteis", meinte EFF-Anwalt Fred von Lohmann. "Das ist schlecht für den Schutz der Privatsphäre und wird außerdem technische Innovationen verhindern, weil dafür enorme Ressourcen investiert werden müssten."
Anti-Piraterie-Bemühungen gibt es auch beim großen US-Kabelnetzbetreiber Cox: Der bekam Ärger mit der Regulierungsbehörde FCC, weil er die Datenübertragungen von Tauschbörsennutzern automatisch verlangsamte und so gegen das Gebot der Netzneutralität verstieß. Zur Begründung hieß es, die dabei verwendete Peer-to-Peer-Technik (P2P) fresse "zu viele Ressourcen". Doch nicht alle Online-Anbieter gängeln ihre Kunden: Der zweitgrößte DSL-Anbieter Verizon kündigte in diesem Monat an, P2P-Verbindungen zwischen seinen Kunden zu beschleunigen, in dem Daten möglichst im eigenen Netz gehalten werden. Mit gutem Grund: Längst nicht nur Piraten setzen auf die von den Medienkonzernen verhasste Tauschbörsentechnologie, sondern auch sinnvolle Dienste wie legale Videovertriebe oder Telefonieanwendungen wie Skype. Trotzdem dürften die Bemühungen, den Providern Daumenschrauben anzulegen, weitergehen. Im US-Musikindustrieverband RIAA wird derzeit diskutiert, die Politik aufzufordern, den Breitband-Anbietern eine "Pirateriegebühr" aufzuerlegen. 5 Dollar pro User und Monat seien doch gerecht, meinte der RIAA-Berater Jim Griffin. In Blogs und Nachrichtendiensten wie "Reddit" wurde der Vorschlag zynisch kommentiert: "Da will eine sterbende Industrie Subventionen aller Internet-Nutzer kassieren."
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