Hilfe für Mieter und Immobilienkäufer: Energieausweis ist jetzt Pflicht
Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen oder mieten will, muss sich ab heute über den genauen Energieverbrauch informieren können - damit er sich besser auf Heizkosten einstellen kann.
Der deutsche Immobilienmarkt wird ein wenig transparenter. Vom heutigen 1. Juli an haben Kauf- und Mietinteressenten eines Hauses oder einer Wohnung ein Anrecht darauf, einen Energieausweis des betreffenden Gebäudes vorgelegt zu bekommen. Im ersten Schritt betrifft dies alle Gebäude, die bis 1965 fertiggestellt wurden. Ab Januar müssen dann auch alle anderen Wohngebäude bei Neuvermietung oder Verkauf über ein solches Dokument verfügen. Und nochmals ein halbes Jahr später wird das Gesetz auch auf Nichtwohngebäude ausgedehnt, wobei öffentliche Gebäude mit Publikumsverkehr das Zertifikat gut sichtbar aushängen müssen.
Wer bislang eine Wohnung oder ein Haus kaufen oder mieten wollte, bekam selten objektive Daten zum energetischen Standard des Objektes. Häufig erfuhr man kaum mehr als das Baujahr als ein gewisses Indiz. Oder man musste sich auf die Nebenkostenabrechnung des vorherigen Nutzers verlassen, was ein riskantes Unterfangen ist - denn wer weiß schon, ob der frühere Bewohner ein Verschwender war oder ob er womöglich nur selten zu Hause war und kaum geheizt hat.
Je nach Gebäude gibt es nun zwei Ansätze zur Erstellung des Energiepasses. Die höherwertige Variante bewertet den energetischen Standard eines Hauses anhand objektiver Kriterien wie Bausubstanz und Heizungstechnik. Dieser "bedarfsorientierte Pass" beurteilt das Haus unabhängig von den Heizgewohnheiten der Bewohner. Hingegen ist der sogenannte verbrauchsorientierte Pass nur eine kollektive Heizkostenabrechnung.
Für Einfamilienhäuser und Wohnhäuser mit bis zu vier Wohnungen ist der bedarfsorientierte Pass Pflicht, sofern das Haus noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1977 gebaut wurde. Bei größeren Objekten sowie bei Häusern ab 1977 lässt der Gesetzgeber wahlweise auch den verbrauchsorientierten Pass zu. Denn bei Häusern mit vielen Wohnungen geht man davon aus, dass sich die unterschiedlichen Verbrauchsgewohnheiten der Bewohner so weit ausgleichen, dass auch der "Energieausweis light" ein gutes Indiz für die Qualität der Immobilie sein kann.
Selbst dort, wo der verbrauchsorientierte Pass zulässig ist, ist er in der Regel nicht zu empfehlen. Denn solche Ausweise werden mitunter von Energieberatern ausgestellt, die das Haus nicht einmal gesehen und sich nur auf die Aussagen der Eigentümer verlassen haben. Der Aussteller bürgt jedoch für die Richtigkeit der Angaben. Wer am Ende haftet, wenn in einem Energieausweis falsche Zahlen stehen, wird erst die Rechtsprechung zeigen.
Der bedarfsorientierte Pass ist jedenfalls der aussagekräftigere: Er ist vergleichbar mit den Verbrauchsklassen bei Elektrogeräten, etwa bei Kühlschränken. Der Pass wird auf einer Farbskala von Grün (sehr gut) bis Rot (miserabel) angeben, wie hoch der jährliche Energiebedarf bei durchschnittlicher Nutzung des Wohnraums ist. Primärenergieverbräuche unter 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter sind sehr gut, Werte bis 100 Kilowattstunden sind noch recht ordentlich, Werte über 200 Kilowattstunden zu hoch. Mancher unsanierte Altbau mit ineffizienter Heizung erreicht noch immer Verbrauchswerte von über 600 Kilowattstunden pro Quadratmeter.
Zu den reinen Zahlen gehören bei einem solide gemachten Energieausweis immer auch Sanierungsempfehlungen. Die Deutsche Energie-Agentur hofft daher, dass der Energieausweis "kräftige Impulse für Modernisierungsmaßnahmen und Investitionen in die energetische Gebäudesanierung geben wird".
Branchenkenner gehen davon aus, dass die neue Transparenz die Haus- und Wohnungspreise in Bewegung bringen wird. So werden schlecht gedämmte Immobilien einen Preisabschlag hinnehmen müssen, gut gedämmte Häuser hingegen dürften durch den Energiepass an Wert gewinnen.
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