Hilfe für Europa: Bundestag lehnt Blankoscheck ab
Wie lässt sich der Bundestag an der Euro-Rettung beteiligen? Experten von CDU und Grünen reden von "Gratwanderung". Und kommen zu sehr ähnlichen Lösungen.
BERLIN taz | Der CDU-Abgeordnete Norbert Barthle bemüht sich, Optimismus auszustrahlen. "Wir werden eine Lösung finden, mit der die Haushälter des Parlaments gut schlafen können." In der Debatte über die Beteiligung des Bundestags an europäischer Finanzpolitik schlägt der Haushaltsexperte seit Tagen einen Mittelweg vor. Er will das Parlament stärker an Rettungsaktionen in der Schuldenkrise beteiligen, gleichzeitig aber schnelle Interventionen des Rettungsschirms erlauben. Die Chancen für eine solche Lösung stehen nicht schlecht, selbst Europapolitiker der Opposition argumentieren ähnlich.
Darum geht es: Der Bundestag muss im September über eine Ausweitung des europäischen Rettungsschirms EFSF entscheiden. Die Staatschefs der Euro-Zone wollen ihn aufstocken und mit mehr Befugnissen ausstatten. Er soll etwa Staatsanleihen überschuldeter Staaten aufkaufen und Banken rekapitalisieren dürfen. Dafür muss das Parlament das sogenannte Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen beim europäischen Stabilisierungsmechanismus - kurz: StabMech-Gesetz - ändern.
"Wir brauchen ein abgestuftes Verfahren, das die Rechte des Parlamentes schützt", so Barthle. Über Details einer Gesetzesänderung werde er sich mit der FDP verständigen. Es sei eine Gratwanderung: "Einerseits muss der Rettungsschirm operative Entscheidungen treffen können, um schnell am Markt zu agieren. Andererseits muss die Mitbestimmung des Parlaments, gerade bei haushaltsrelevanten Entscheidungen, gewahrt bleiben."
Bisher gibt das Gesetz Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) freie Hand: Die Regierung habe sich zu bemühen, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Parlaments herzustellen, heißt es in einem weich formulierten Passus. Anders gesagt: Bleibt das Bemühen erfolglos, darf Schäuble trotzdem Rettungsschirm-Aktionen bewilligen. Diesen Passus könnte der Bundestag verschärfen.
Das Problem dabei: Braucht ein Staat Hilfe, muss der Schirm schnell entscheiden. "Es wäre etwa verrückt, das Parlament darüber entscheiden zu lassen, ob der EFSF Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kauft", sagt Barthle. Die Märkte würden auf die Diskussion sofort reagieren, die Preise für die Anleihen in die Höhe schießen.
Auch der Grüne Manuel Sarrazin, europapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, weist auf dieses Problem hin: "Wenn der Schirm funktionieren soll, muss autonomes Handeln der Regierung möglich sein. Sonst gehen riesige Summen Steuergeld verloren." Es sei aber wichtig, dass das Parlament beispielsweise neue Hilfen für ein Euroland genehmige. "Für Parlamentarier und Öffentlichkeit muss nachvollziehbar sein, ob die Kredite zurückgezahlt werden können." Sarrazin schlägt deshalb vor, der Regierung im StabMech-Gesetz die Beteiligung des Bundestags vorzuschreiben - ihr aber bei zwingenden Gründen eine Hintertür zu lassen. Kurz: Der Grüne und der Christdemokrat liegen gar nicht weit auseinander.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid