Hightech im Kindergarten: Fünfjährige bekommen eigene iPads
Eine US-Kleinstadt will Kindergartenkinder mit iPads zum Lernen motivieren. Beim pädagogischen Personal und den Eltern stößt das auf Skepsis.
PORTLAND dapd | Erziehung wird in Auburn groß geschrieben. Der Kindergarten der kleinen US-Stadt wird daher mit allem versorgt, was Kinder so brachen: Bauklötze, Buntstifte, Fingerfarbe - und iPads. Die Tablet-Computer seien ideal, um früh die Grundlagen für den Umgang mit Buchstaben und Zahlen zu lernen, sagt Kita-Leiter Tom Morrill. Das Projekt ist ihm einiges wert: 200.000 Dollar (139.000 Euro). Kritiker sähen das Geld lieber in anderen Bereichen investiert.
"Es ist auf jeden Fall ein Abenteuer", sagt die Kindergärtnerin Amy Heimerl. "Für die Kinder wie für uns Lehrer". Damit sie sich vorbereiten kann, hat Heimerl ihren eigenen iPad schon bekommen. Die Lieferung der insgesamt rund 300 Touchscreen-Rechner für die Kinder wird im Herbst erwartet.
Skepsis zeigt sich nicht nur beim pädagogischen Personal, sondern auch bei den Eltern. Viele fragen sich, ob es nicht herausgeschmissenes Geld ist. "Ich verstehe ja, dass man auf dem neuesten Stand der Technik sein sollte, aber ich denke, dass Fünfjährige für so etwas noch zu jung sind", sagt die zweifache Mutter Sue Millard.
Der US-Staat Maine, in dem auch Auburn liegt, hat hinsichtlich der Nutzung moderner Technik im Unterricht in der Vergangenheit schon mehrfach eine Vorreiterrolle eingenommen. Bereits 2002 und 2003 wurden alle Siebt- und Achtklässler mit Laptops ausgestattet, bis heute sind rund 50 Prozent aller Schüler an weiterführenden Schulen mit tragbaren Rechnern versorgt.
Die Behörden wollen auch diesmal einen Schritt voraus sein. Der Schulvorstand hat sich in der vergangenen Woche einstimmig für die Anschaffung der iPads ausgesprochen.
Begeisterung fördert Lernprozesse
"Das ist eine Revolution in der Erziehung", schwärmt Morrill. Auch Angus King, der bis 2003 Gouverneur von Maine war, ist von der Idee begeistert. Was immer die Aufmerksamkeit und Begeisterung der Kinder errege, sei für die Lernprozesse förderlich, sagt er. "Wenn Schüler engagiert sind, dann kann man ihnen fast alles beibringen. Wenn sie hingegen gelangweilt aus dem Fenster schauen, dann kannst du Sokrates sein und du wirst ihnen trotzdem nichts vermitteln können."
Larry Cuban, ehemaliger Professor an der Stanford Universität in Kalifornien und Autor eines Buches über die Nutzung von Computern in Schulen, drückt sich hingegen etwas vorsichtiger aus. "Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keinerlei Belege dafür, dass das Verteilen von iPads an Fünfjährige wirklich eine Verbesserung der Lesefähigkeiten bewirkt", sagt Cuban.
"Ein gutes Experiment"
Nick Sauers von der Staatlichen Universität Iowa sieht zumindest ein großes Potenzial. Wenn iPads oder andere technologische Hilfsmittel auf die richtige Art und Weise genutzt würden, dann sei das für die Schulerziehung immer von Vorteil, sagt er. Das Projekt in Maine hält er für ein gutes Experiment. "Ich denke, schon im nächsten Jahr werden wir in diesem Bereich einen ersten großen Boom erleben", sagt Sauers.
Die Erzieherin Heimerl hat einige der Möglichkeiten ihres iPads inzwischen getestet. Die Apps für Wortbildung, Buchstabenerkennung und Aussprache haben sie vom ersten Eindruck her überzeugt. Ihr Chef Morrill, der das ganze Projekt initiiert hat, betont aber zugleich, dass die neuen Tablet-PCs auch nicht als Wundermittel anzusehen seien. "Ich sage nicht, dass sie rund um die Uhr zum Einsatz kommen werden - die Kinder sollen sich natürlich auch weiterhin viel bewegen, tanzen und miteinander spielen."
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