: „Heute sind die Schüler wach“
Ein SchülerInnen-Aktionsbüro sorgt für Leben an den Schulen / Statt Lethargie Streiks und Demonstrationen / '68ger sind wieder stolz auf ihre PennälerInnen / Laurien scheute die Auseinandersetzung mit Schülern auf einer Streikfete ■ Aus Berlin Christine Berger
„Wir haben einfach keinen Bock mehr, immer nur lethargisch im Unterricht zu sitzen und alles mit uns machen zu lassen, die passiven Zeiten sind vorbei!“ Die Schülerin, die diese kühnen Worte in den Raum wirft, ist Mitarbeiterin im SchülerInnen-Aktionsrat. Das Aktionsbüro, das sich die SchülerInnen in nächster Nähe zur FU in Dahlem eingerichtet haben, ist der beste Beweis für ihre Behauptung. Die Wände sind bepflastert mit ellenlangen Telefon-, Schul- und Namenslisten, sorgfältig nach Bezirken geordnet. Ein Dutzend Leute wuseln geschäftig durch den Raum und koordinieren die Aktionen, die an den einzelnen Schulen laufen sollen.
„Den ganzen Tag hält das Telefon nicht einmal seine Klappe“, kommentiert Viola, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, das ständige Klingeln des Heißen Drahtes. Wer der Bezirksverantwortliche von Steglitz sei oder was auf der letzten SchülerInnenvollversammlung abgelaufen sei, sind nur einige Fragen, die das große Interesse der SchülerInnen an den Streikaktionen bekunden. Aktiv den ansonsten so tristen Schulalltag zu verändern, ist dann auch das Ziel jeder einzelnen Schule. In Arbeitsgemeinschaften, Diskussionsrunden und selbstorganisiertem Unterricht bringen die SchülerInnen sich selber bei, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und Lerninhalte aktiv mitzugestalten. „Soviel, wie wir in dieser einen Woche gelernt und an Erfahrungen gesammelt haben, soviel haben wir im ganzen letzten Jahr nicht gelernt“, bekennt ein Schüler von der Pestalozzi-Fröbel Erzieherschule.
„Aufruhr, Widerstand - die Schule bleibt in unserer Hand!“
-der Slogan, den sich die StudentInnen schon vor Wochen in leicht abgeänderter Form auf ihre Demotransparente geschrieben hatten, macht wortwörtlich Schule. Die PennälerInnen proben den Aufstand. Hatten sie anfangs nur ihre Solidarität mit den StudentInnen bekunden wollen, haben die SchülerInnen schon längst ihre individuellen Forderungen verkündet: Kein Stundenausfall durch die anstehende Lehrerarbeitszeitverkürzung, Mitbestimmung in allen schulischen Gremien, keine Zensur des verwendeten Unterrichtsmaterials.
Wie ernst es den PennälerInnen ist, wenn es um ihre Rechte geht, haben sie auf den zahlreichen Demonstrationen der letzten Tage gezeigt. Mit kunterbunten Transparenten, auf denen „Wehniger Deutsch“ oder „Hanna, gib schon nach, heute sind die Schüler wach“ zu lesen war, hatten die PennälerInnen die kaufrauschgeplagte Bevölkerung in der Innenstadt auf sich aufmerksam gemacht.
Die eigene Situation zu reflektieren, neue Lerninhalte zu erarbeiten und auch die bisherige Wissensvermittlung einer kritischen Prüfung zu unterziehen, das stößt nicht nur bei den SchülerInnen auf Unterstützung. Wir Lehrer sind ja so froh, daß die Schüler endlich mal aufwachen und etwas politischer werden“, kommentiert freudig der Lehrer eines Schöneberger Gymnasiums während einer Schüerdemo am vergangenen Sonnabend die Aktivitäten der SchülerInnenbewegung. Und er spricht nicht für sich allein. Der Unterricht werde von Jahr zu Jahr praxisferner, er sei zu fest auf den Lehrplan fixiert, stellen auch zwei Lehrer der Pestalozzi-Fröbel Schule fest. In ihrem Schulgebäude tummeln sich deshalb SchülerInnen und Lehrpersonal gleichermaßen, wenn es darum geht, Feten zu organisieren oder Arbeitsgruppen zu bilden.
„In erster Linie lassen wir die Schüler aber erstmal alleine diskutieren“, meinen die beiden '68er-Lehrer, während sie an dem, von den SchülerInnen spendierten Fetenbier nippen. „Wir haben mehr beratende Funktion.“
Zum abendlichen Rockkonzert in der Aula der Pestalozzi -Fröbel Schule sind sie dann auch eher Zuschauer am Rande, denen bei den fetzigen Klängen der Fuß im Takt mitwippt. „Mit Stimmung in die Mitbestimmung“ hat jemand mit Kugelschreiber auf die Aulatür geschrieben - wohl in weiser Erwartung des „Stargastes“, den die SchülerInnen zu ihrer Fete eingeladen haben: Hanna Laurien, die Schulsenatorin, hatte sich angesagt, um zu den Forderungen der PennälerInnen Stellung zu nehmen. Sie kam nicht. Wohl in der weisen Hoffnung, daß die Weihnachtsferien von allein die Wogen glätten? Davon mag sie gemeinsam mit Wissenschaftssenator Turner unterm Weihnachtsbaum träumen. „Doch wir träumen nicht mehr“, meinte eine Schülerin.
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