: „Heute lieber ohne Gürtel“
Ende Juli feiern die Samen in der nordnorwegischen Kommune Evenes ihr Kulturfest. Nur ein echter Same oder eine echte Samin darf den Gákti, die traditionelle Tracht, tragen. Eine Nacht unter der norwegischen Mitternachtssonne
VON SILVIA SCHMIDT
Am Samstagabend zum Konzert haben sich alle herausgeputzt. Sie tanzen zum Joik, der hier von fünf verschiedenen Bands gespielt wird. Joik ist der traditionelle Kehlkopfgesang der Samen. Früher wurde Joik auch von den Schamanen benutzt, um sich in Trance zu versetzen. Heute kann man sowohl traditionellen Joik wie auch Hiphop-, Rock- oder Pop-Joik hören. Ich bin in Márkomeannu (deutsch: Lärm im Dorf) auf einem samischen Festival in der nordnorwegischen Kommune Evenes. Der „Lärm im Dorf“ erstreckt sich über sechs Tage und bietet Ausstellungen, Seminaren, Tanzabend, Kindertheater, Geschichtenerzählen und das große Konzert am heutigen Samstagabend.
Bis heute assoziiert man die Samen – früher Lappen genannt – mit Rentierzucht, Schlittenhunden und hält sie für Nomaden. Dabei sind die meisten Samen schon im 17. Jahrhundert sesshaft geworden. Nur die wenigsten leben noch von der Rentierzucht. Um gegen dieses Unwissen anzukämpfen, werden Festivals wie dieses von den Samen organisiert und von der norwegischen Regierung mitfinanziert. Márkomeannu zelebriert samische Kultur. Organisiert wird das Ganze von der samischen Jugendorganisation „Stuornjárgga Sámenuorak“.
Susanne Amalie Andersen war zusammen mit Ánde Somby Sandvik und Laila Mari Bransfjell ein Jahr lang als Samenbotschafterin unterwegs. Laila trägt zum Konzert auffallenderweise nicht die samische Tracht, den Gákti. Warum nicht? Den Gürtel zu der Tracht hat sie von ihrer Großmutter geerbt, und wenn sie den trüge, fände sie es falsch, sich zu betrinken. „Also heute lieber ohne Gürtel,“ sagt sie.
Zusammen haben die drei Schulen in ganz Norwegen besucht, um über die Samen und ihre Kultur aufzuklären. Außerdem vertritt Susanne als jüngste Abgeordnete ihre Region im Samenparlament in Karasjok, das es seit 1989 gibt. Um für das Parlament wählen zu können, muss man samisch sprechende Eltern, Groß- oder Urgroßeltern oder einen samischen Ehepartner vorweisen. Nur dann darf man den Gákti, die traditionelle Tracht, tragen, meint Susanne. Sie findet es schrecklich, dass man in den touristischen Regionen im finnischen Lappland den Gákti an Touristen verkauft. „Wir wollen nicht, dass Japaner in unserem Nationalkostüm herumlaufen!
Im Gegensatz zu den skandinavischen Regierungen, die die Grenzen zogen, ohne auf die samischen Siedlungsgebiete Rücksicht zu nehmen, glauben die Samen nicht an Staaten – nie hat es in ihrer Geschichte den Drang gegeben, einen Nationalstaat zu gründen. Erst am 6. Februar 1917, dem heutigen „Nationalfeiertag“ der Samen, haben sich zum ersten Mal in ihrer Geschichte Samen aus allen vier Ländern (Norwegen, Schweden, Finnland und Russland) in Trondheim versammelt. Eine Fahne, in den samischen Farben rot, großen, gelb und blau, gibt es erst seit 1986.
Vor der großen Bühne wird eifrig getanzt. In Verschnaufpausen schaut man über das Gallogieddi-Tal, das die ganze Nacht von den eiskalten Strahlen der Mitternachtssonne erleuchtet wird. Gegen vier Uhr früh leert sich die Wiese. Die samische Fahne bewegt sich weiter im Wind.
Dieses Jahr findet das Festival vom 25. 7. bis 29. 7. zum achten Mal statt www.markomeannu.no/