■ Heute fliegen die ersten deutschen Soldaten nach Somalia: Deutsche Präferenz fürs Risiko
Das Verwirrspiel ist perfekt. Wochenlang hatte das Bonner Verteidigungsministerium selbstsicher getönt, der erste Out-of-Area-Einsatz der deutschen Bundeswehr solle in dem friedlichen Marktflecken Bosasso an der Nordküste Somalias stattfinden. Nun fliegen die ersten Soldaten nicht nach Bosasso, sondern in den einige hundert Steppenkilometer weiter südlich liegenden Ort Belet Uen. Die UNO wünsche es so, heißt es, da dort schon UNO-Soldaten aus Kanada die „Befriedung“ vorgenommen hätten und die Deutschen damit in Belet Uen sicherer wären als im von jeglicher UNO-Präsenz unberührten Bosasso.
Wenn Bosasso als Einsatzort zu risikoreich ist – warum hat dann nicht die Bundesregierung selber darauf bestanden, ihre Soldaten woanders hinzuschicken? Warum bedarf es dafür eines UNO-Schreibens, das im übrigen deutlich macht, daß die Vereinten Nationen von Anfang an nicht auf Bosasso gedrängt haben, sondern daß dieser Ort eine deutsche „Präferenz“ darstellte? Es kann ja wohl nicht nur daran liegen, daß der starke Mann Bosassos, General Abshir Musse, in den sechziger Jahren Polizeichef Somalias war, mit besten Beziehungen zum damaligen BND-Chef Gehlen, und daß der Schwerpunkt des deutschen Beitrages zur UNO-Somalia-Aktion heute ausgerechnet in der Wiederherstellung einer somalischen Polizei liegen soll.
Welches Spiel hier getrieben wird, läßt sich noch gar nicht abschließend beurteilen. Natürlich geht es auch, wie die SPD zu Recht vermutet, um eine schleichende Ausdehnung der Grenzen rechtlich zulässiger Blauhelm-Aktionen – aber diese hätte sich noch eher aus einem Festhalten an Bosasso als aus der Verlegung des Einsatzes in das von Kanadiern besetzte Gebiet ergeben. Denn es ist eine pure Selbstverständlichkeit, daß neue UNO-Soldaten – ob aus Deutschland oder anderswoher – ihren Einsatz besser auf bereits bestehenden UNO-Militärstützpunkten beginnen sollten, anstatt in völlig unberührte Orte einzufallen. Und es ist durchaus möglich, daß im Rahmen der Ausdehnung der UNO-Militärpräsenz in Somalia auf das ganze Land die Deutschen immer noch nach Bosasso verlegt werden.
Besser, als jetzt gegen den Einsatzort Belet Uen vor das Verfassungsgericht zu ziehen, wäre allemal eine Diskussion darüber, was die Bundeswehr in Somalia überhaupt machen soll. Denn während die Oppositionsparteien gegen eine Militarisierung der Außenpolitik protestieren, läuft der Somalia-Einsatz eher auf eine Militarisierung der Entwicklungspolitik hinaus, und die Konsequenzen dessen sind zu schwerwiegend, als daß sie einfach mit einem ohnehin fragwürdigen Unbedenklichkeitsnachweis der UNO abgesegnet werden können. Dominic Johnson
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