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■ Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geht mit markigen Worten auf Distanz zu Kanther, Kohl & Co. Er hält sich in der Parteispendenaffäre nur für den Überbringer schlechter Nachrichten. Im Falle eines Misstrauensantrags im Landtag könnte es eng werdenKoch setzt auf den großen Knall

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) denkt auch am Tag vier nach den Offenbarungen seines Parteifreundes Manfred Kanther nicht an Rücktritt: „Hinstehen statt wegducken!“ Ist etwa das Motto der alten „Stahlhelmer“ in der hessischen Union um Kanther und Alfred Dregger jetzt auch die Maxime von Roland Koch, dem „jungen Wilden“?

Jedenfalls sagt der Ministerpräsident und Landesparteivorsitzende in jedes Mikrofon, das ihm hingehalten wird, er habe nichts von dem 32 Millionen Mark schweren Schwarzgeldkonto seiner Partei in der Schweiz gewusst. Ebenso wenig von den von Kanther und seinem Kassenwart Prinz Casimir zu Sayn-Wittgenstein erfundenen „Hilfskonstruktionen“ zur Rückführung der gut angelegten Spendengelder und Mitgliedsbeiträge. Er sei nur der Überbringer der schlechten Nachricht gewesen.

Und damit diese Botschaft beim fassungslosen Wahl- und Parteivolk auch einigermaßen glaubwürdig ankommt, geht Koch gleichzeitig auf Distanz zu Kanther, seinem Ziehvater. „Persönliche Freundschaften sind zerstört worden. Ich bin unheimlich enttäuscht“, sagte Koch mit Blick auf Kanther am Sonntag auf einem Neujahresempfang der CDU in Dudenhofen bei Offenbach. Und dann versprach auch Koch, was CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble, inzwischen selbst tief im Spendensumpf steckend, Generalsekretärin Angela Merkel und Wahlkämpfer Volker Rühe schon seit Wochen versprechen: „rückhaltlose, zeitnahe und nachvollziehbare Aufklärung über das gesetzeswidrige Finanzgebaren“.

Einer macht dabei schon mal nicht mit: Horst Weyrauch, Steuer- und Anlageberater der CDU im Bund und in Hessen. „Bis zum bitteren Ende“ werde er schweigen, sagte Weyrauch – „im Interesse meiner Mandanten“. Wer sind seine Mandanten? Kanther und Prinz Wittgenstein? Wirtschaftsprüfer sollen jetzt aufklären helfen, sagte gestern CDU-Parteisprecher Christian Schnee. Andere ermitteln inzwischen auch: Staatsanwälte aus Wiesbaden. Behördensprecher Dieter Arlet teilte mit, dass nach den Enthüllungen vom vergangenen Freitag gezielt untersucht werde, ob sich der Prinz und Weyrauch im Zusammenhang mit der Affäre um das schwarze Konto der hessischen CDU in der Schweiz „der Untreue und des Betruges“ schuldig gemacht haben.

Und Kanther? Dem stellte der hessische Justizminister Christian Wagner (CDU) schon mal einen Persilschein aus. Kanther habe mit der illegalen Transaktion der acht Millionen Mark in die Schweiz doch „niemandem geschadet“. Er habe zwar gegen das Parteiengesetz verstoßen, doch müsse sein Fehlverhalten an seinen großen Verdiensten gemessen werden.

So großzügig ist Wagner im Umgang mit Rechtsbrechern sonst nicht. „Hart durchgreifen“, lautete das Wahlkampfmotto der hessischen CDU 1999. Der Justizminister, dem im ersten Amtsjahr mehr Gefangene aus den hessischen Knästen davonliefen als seinem grünen Amtsvorgänger Rupert von Plottnitz, wies auch die Forderung der Oppositionsparteien SPD und Bündnisgrüne nach Neuwahlen in Hessen zurück. Der Landtagswahlkampf 1999 sei nicht mit Schwarzgeld geführt worden, führte Wagner aus, sondern mit CDU-Geld von einem ausländischen Konto. Alles klar?

Es wird dennoch eng werden für Roland Koch. Im Landtag verfügt er nur über eine Stimme Mehrheit. Auf die FDP wird er sich verlassen können. Die fürchtet nichts mehr als Neuwahlen. Zwei Ministerposten in einem Bundesland will man unbedingt behalten. Nicht ganz so verlassen kann er sich im Falle einer Abstimmung über einen Misstrauensantrag auf die eigene Fraktion. Die Alten sind vergrätzt, weil Koch auf Distanz zu Kanther gegangen ist. Und bei einer Hängepartie könnten die jungen Unionsabgeordneten, die das, was die Altvorderen angerichtet haben, ausbaden müssen, ungeduldig werden.

In Dudenhofen gab es zwar viel Beifall für Koch, aber auch Kritik. Und im Landtag stellen sich – noch hinter vorgehaltener Hand – auch Abgeordnete der Union die Frage, ob Koch nicht doch früher mehr wusste, als er heute zugibt. Als „kaum glaublich“ erscheine jedenfalls, dass der Landesvorsitzende Kanther nach Übergabe der Amtsgeschäfte an Koch seinem Nachfolger nicht gesagt haben soll, dass er bei dem Vorhaben, SPD und Grünen in Wiesbaden die Macht zu entreißen, über viele Millionen Mark in der Schweiz verfügen könne. Das ist eine der Fragen, mit der sich wohl demnächst ein Untersuchungsausschuss beschäftigen wird.

Weil er weiß, dass es heiß werden wird, legte Roland Koch noch einmal nach. Er will jetzt den „großen Knall“. Alles solle auf den Tisch. Denn nichts schade der CDU mehr, als dass „jeden Tag was Neues auf den Tisch kommt“. Genau das aber wird er nicht verhindern können.

Klaus-Peter Klingelschmitt,

Frankfurt am Main

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