: Hessen sorgt überraschend für Patt im Bundesrat
■ Ministerpräsident Wallmann wollte „heute noch nicht abschließend votieren“ / Hamburger Kompromißbemühungen vergeblich SPD-regierte Länder wollen Nachbesserungen abwarten / Direktwahlrecht für Berliner / Volles Berliner Stimmrecht im Bundesrat?
Bonn (ap/dpa) - Im Ringen um eine politische Bewertung des Staatsvertrages mit der DDR hat sich der Bundesrat am Freitag weder zu einer Mehrheitsentscheidung noch zu einem Kompromiß fähig gezeigt. Ursache für das überraschende Patt war die Haltung der hessischen Landesregierung, die weder einem von ihr selbst mit eingebrachten Entschließungsantrag der CDU-regierten Länder noch einem Antrag der SPD -Regierungen noch einem Kompromißvorschlag Hamburgs zustimmen wollte. Lediglich einige von den Ausschüssen vorgelegte Vorschläge für im wesentlichen gesetzestechnische Anmerkungen zum Staatsvertrag fanden eine Mehrheit.
Im Antrag der CDU-Länder wurde der Staatsvertrag als erster und vordringlichster Schritt zur deutschen Einheit im wesentlichen begrüßt. Der Gegenantrag der SPD-Länder stellte hingegen Kritik am Tempo des Verfahrens und der unzureichenden Beteiligung der Länder in den Vordergrund und verlangte die auch von den Sozialdemokraten im Bundestag geforderten Nachbesserungen.
Bis in die Nacht hatten sich Vertreter des SPD/FDP -getragenen Hamburger Senats und der hessischen Koalitionsregierung aus CDU und FDP um einen Kompromißvorschlag bemüht, der eine politische Brücke zwischen beiden Positionen darstellen sollte. Der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann bemerkte dazu in der Aussprache, er könne über den Kompromißantrag trotz vieler positiver Ansätze „heute nicht abschließend votieren“.
Zuvor hatten der Hamburger Bürgermeister Voscherau (SPD) und sein Stellvertreter von Münch (FDP) vergeblich für den Kompromiß geworben. Voscherau warnte davor, „wegen einer letztlich parteipolitischen Blockade in einer Vorwahlzeit“ ohne Stellungnahme auseinanderzugehen. Die Vertreter der SPD -regierten Länder - von den CDU-geführten Regierungen meldete sich außer Wallmann niemand zu Wort - machten ihre Entscheidung über den Staatsvertrag vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bundesregierung und der SPD -Opposition im Bundestag abhängig. Bei diesen Verhandlungen geht es um die von den Sozialdemokraten verlangten Verbesserungen. NRW-Bundesratsminister Einert machte deutlich, daß die SPD nicht das Ziel der deutschen Einigung, sondern nur den von der Regierung eingeschlagenen Weg dorthin in Frage stelle.
Mit dem ebenfalls beschlossenen Direktwahlgesetz werden die Berliner bei der nächsten Bundestags- oder gesamtdeutschen Wahl erstmals ihre Abgeordneten selbst bestimmen können, die bisher - ebenso wie die Berliner Vertreter im Bundesrat - im Bundestag kein volles Stimmrecht haben.
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