: Hessen, hilf!
Ausgerechnet die Landesregierung unter Roland Koch soll die „Frankfurter Rundschau“ per Bürgschaft vor dem Ruin retten. Banken machen Druck
von HEIDE PLATENund STEFFEN GRIMBERG
Die finanziell schwer angeschlagene Frankfurter Rundschau bemüht sich auf Druck ihrer Hausbanken um eine Landesbürgschaft für weitere Kredite. Ausgerechnet die bürgerlich-konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte in ihrer Mittwochsausgabe ausführlich über einen Bittgang der linken, traditionell sozialdemokratischen Tageszeitung bei der rechten CDU-Landesregierung berichtet. Schon im Sommer 2002 musste ein „Stützungsfonds“ von Frankfurter Sparkasse und Dresdner Bank das traditionsreiche Zeitungshaus retten, das seine Kreditlinien voll ausgeschöpft hat. Das Finanzministerium bestätigte gestern der taz die Kontakte, betonte aber, ein Antrag liege noch nicht vor.
Die FR-Geschäftsführung war für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss dieser Seite nicht zu erreichen, und so kam die Beschwichtigung aus ungewohntem Munde: Derart bedrohlich hänge der Pleitegeier nun auch wieder nicht über dem Dach, sagt – der Betriebsratsvorsitzende Viktor Kallert: „Da spielen wohl auch Konkurrenzverhältnisse eine Rolle“, verweist Kallert auf das besondere Verhältnis von FR und FAZ.
So viel Optimismus mag man in der Redaktion nicht teilen: Seit Monaten gibt es heftige Kritik am bisherigen Sanierungskonzept. „Die Stimmung ist ziemlich mau“, sagt ein Mitarbeiter, und der Betriebsrat mache sich eher für die noch festangestellten MitarbeiterInnen stark, die zudem lange Betriebszugehörigkeit nachweisen konnten – viele junge, talentierte Redakteure seien daraufhin gekündigt, Verträge nicht verlängert worden: „Der Betriebsrat hat flexible Lösungen nicht zugelassen.“ Auch die Auswechslung der alten Doppelspitze in der Chefredaktion im Oktober 2002 sei viel zu spät erfolgt, „da war das Kind schon in den Brunnen gefallen“.
250 Entlassungen
Weil die Anzeigenerlöse weiter einbrechen und auch die externen Aufträge für die FR-Druckerei zurückgehen, wird der Sparkurs noch rigider: Nicht mehr 150 Mitarbeiter, wie im Oktober geplant, sondern insgesamt rund 250 der insgesamt noch 1.400 Menschen starken FR-Belegschaft müssen bis 2005 gehen. Viele der renommierten, älteren FR-Kollegen haben resigniert und Angebote zur Vorruhestandsregelung angenommen. Das Urlaubsgeld für 2003 ist gestrichen. Trotzdem werde immer noch nicht an den notwendigen Stellen gespart, „über Jahrzehnte ist Geld verschleudert worden“, heißt es im zum Verkauf stehenden FR-Haus am Eschenheimer Tor. Der Geschäftsführung sei es gelungen, höchst eigenmächtig zu agieren, „ohne aktiven Aufsichtsrat, ohne Rechtfertigung, ohne Kontrolle“.
Die FAZ nun machte die Bürgschaftsfrage gestern zur Chefsache für Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der nun wie weiland „Odysseus zwischen Skylla und Charybdis“ herumstrudele: Entweder er verweigere dem kritischen Blatt die Hilfe, dann heiße es, er wolle es mundtot machen. Oder aber er befürworte die Bürgschaft. Dann könne man ihm vorwerfen, er wolle die „unangenehmen Kritiker“ schlicht kaufen. Die FAZ, seit dem drastischen Einbruch des Anzeigengeschäftes vor zweieinhalb Jahren und einigen ebenso kostenträchtigen wie erfolglosen Abenteuern im TV- und Radiogeschäft finanziell ebenfalls auf Schlingerkurs, stilisierte sich umgehend zum Wahrer der Pressefreiheit: Landes- und damit Steuergelder für Medien, das bedrohe Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt. Und was das bedeute, so der Kassandra-Ruf von FAZ-Kommentator Hans Riebsamen, wisse man ja „von den früheren kommunistischen Ländern und heutigen Diktaturen“.
Betriebsratsvorsitzender Kallert fand das gestern „perfide“. Ansonsten aber konnte er „zum Thema“ nichts sagen. Der Betriebsrat sei nicht in die Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Banken eingebunden. Er wisse nur, dass der auch anvisierte Verkauf des Firmengrundstücks in bester Innenstadtlage nicht vorankommt: „Die Preise sind derzeit zu schlecht.“