: Hessen-Schlappe? Grüne in Bremen selbstbewußt
■ Partei wählt für Bürgerschaftswahl ihre Kandidaten und verkündet als Ziel Rot-Grün
Bremen (taz) – Für die Bremer Grünen gibt es Wichtigeres als die Hessen-Wahl. Nur eine halbe Stunde widmete sich die Landesmitgliederversammlung am Wochenende der Wahlniederlage in Hessen, dann ging die Partei zur Tagesordnung über, um ihre Kandidaten für die kommende Bürgerschaftswahl am 6. Juni aufzustellen. „Die Republik wird auf uns schauen“, rief Spitzenkandidatin Helga Trüpel den rund 150 Delegierten kurz vor ihrer Wahl zu. „Aber wir werden uns Henning Scherf nicht anbiedern.“
Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hat bereits angekündigt, daß er auch in Zukunft in einer Großen Koalition mit der CDU regieren möchte. Daß durch eine rot- grüne Koaltion in Bremen die Mehrheit von SPD und Grünen im Bundesrat wiederhergestellt wäre, spielt für ihn keine Rolle. „Das Land geht vor“, betonte er in mehreren Interviews.
„Vier Prozent Verlust, das ist eine dramatische Niederlage“, räumte Trüpel ein. Die Wahlschlappe der hessischen Grünen sei jedoch auf eine Reihe „hausgemachter Probleme“ zurückzuführen. Die Bremer Grünen müßten im Wahlkampf jetzt vor allem auf junge Leute zugehen. „Nur wenn wir jetzt wirklich zusammenhalten, werden wir es schaffen.“ Eine Einschätzung, die dem Bremer Grünen Lothar Probst offenbar zu optimistisch klang. „Wir haben eine Akzeptanzkrise“, sagte er. „Auf der Sympathieskala sind wir von plus 0,5 aus minus 0,6 abgerutscht. Wir sind nicht dank unseres guten Ergebnisses in die Bundesregierung gekommen, sondern trotz.“ Probst schlug vor, nach „grüner Tradition“ nach der Kandidatenwahl einen „offenen Ratschlag“ in der Partei zu organisieren, um sich dort mit den Mitgliedern über die „Wahlkampfstrategie“ der Partei „zu verständigen“. Ein Vorschlag, der angenommen wurde.
Die Wahlschlappe in Hessen sei „gerade zur rechten Zeit ein Schuß vor den Bug“, warnte auch der ehemalige Bürgermeister Ralf Fücks. Die Niederlage würde den Grünen klarmachen, „daß wir nicht im Selbstlauf ein gutes Ergebnis bekommen“. Die Bremer Grünen müßten aufpassen, nicht zu einer „In-Group“ wie in Hessen zu werden. Kernthemen wie Atomenergie, Ökologie, Staatsbürgerrecht und Gleichberechtigung müßten „modern buchstabiert“ werden. „Wir können nicht nur alte Antworten geben.“ Nach außen hin müsse deshalb die Botschaft „Rot-Grün ist keine Quälnummer, sondern eine Erfolgsgeschichte“ transportiert werden. Für einen „Abgesang auf die Grünen“ gebe es keinen Grund.
„Wenn Scherf glaubt, die Grünen seien in Bremen ein Auslaufmodell, hat er sich getäuscht, und das werden wir ihm zeigen“, sagte Fücks. Scherf habe zudem eine „Verantwortung“, was die Mehrheit im Bundesrat angehe. „Wer eine soziale Gerechtigkeit will, der muß eine rot-grüne Koalition durchsetzen“, sagte Fücks unter dem tosenden Applaus der Landesmitgliederversammlung. Kerstin Schneider
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