Hertha: Berlin bleibt Berlin
■ Für eine Entbindung von Hertha BSC von der Zwangsverpflichtung zur 1. Liga
Wenn man in Berlin wohnt und trotzdem hin und wieder ein gutes Fußballspiel sehen möchte, muß man reisen. Diese Regel hat ihre Gültigkeit durch den Aufstieg von Hertha BSC in die 1. Liga nicht eingebüßt. Der Aufstieg hat allerdings in manchen Berlinern wieder einmal die Illusion geweckt, sie hätten per se und kraft ihres Berlinerseins ein quasi naturgemäß verbrieftes Anrecht auf Erstklassigkeit. Wie man sich doch täuschen kann.
Magisch, ja magnetisch zieht Hertha BSC jene Kräfte an, die dafür sorgen, daß man in Berlin niemals ganz heimisch wird: Aus Bollos und Bunken, aus rohen, lauten, dumpfen und brackigen Gestalten rekrutiert sich die Kundschaft von Hertha BSC. Von Anhängerschaft im eigentlichen Sinn kann man nicht sprechen: Wirkliche Fans, also Leute, die mit ihrer Mannschaft auch durch die Niederungen des Fußball-Lebens krauchen, hat Hertha so gut wie nicht. Was jetzt den Hintern zum Spiel trägt, ist die trittbrettfahrende Sorte, die bei der ersten Gelegenheit meckert und wieder verschwindet.
Auf dem Weg zum Stadion sind die Straßen verstopft mit Schaumacherkarren; ein schwarzer Sportwagen mit fettem Werbeaufdruck für ein Kosmetik-Institut enthält drei Männer, deren beschnäuzertes Äußeres den Verdacht nahelegt, auch in ihrer Branche sei längst der Bock zum Gärtner bestellt worden. Auch sonst ist man eher vom Typus des Boutiquenbesitzers umgeben – als hätten sich die Neuköllner aller Bezirke und Fraktionen gesucht und gefunden.
Wozu der ganze Aufriß um Hertha BSC? Sportlich ist das Unternehmen ein Witz, wenn auch einer, der allen Romantikern des Fußballspieles Auftrieb gibt: Mit Geld allein, so die von Hertha verstrahlte Botschaft, ist nichts zu holen. Da kann der Hauptsponsor Ufa noch so buttern – ein akzeptabler Verein wird Hertha BSC dadurch nicht. In den sechziger Jahren wurde die Bundesliga von 16 auf 18 Vereine aufgestockt, nur damit eine Mannschaft aus der deutschen Frontstadt Berlin in der ersten Liga mitspielen konnte – genutzt hat selbst diese unsportliche Maßnahme nichts. Nach der Saison 1997/98, wenn also Hertha wieder abgestiegen sein wird, darf man gespannt sein, ob die Bundesliga nochmals erweitert wird – vielleicht am besten gleich auf 30 Mannschaften.
Berlin, so ist beschlossen worden, brauche eine Erstliga-Fußballmannschaft – schließlich muß am Fußball mitverdient werden, und schließlich wollen sich Regierungspolitiker nach ihrem Umzug von Bonn nach Berlin populär bei Schweiß und Bratwurst zeigen. Schön, daß die Mannschaft von Hertha BSC sich nicht zum Erfüllungsgehilfen solch kruder Pläne machen läßt. Wenn jetzt noch das durch den Aufstieg mobilisierte BZ-Berlinertum wieder murrend in seine Löcher zurückkriecht, kann man zufrieden sein. Und wer ein gutes Fußballspiel sehen will, der muß reisen. Wiglaf Droste
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